Tobe Welt und springe ...

Tobe Welt und springe ...

Tobe Welt und springe ...

# Predigt

Tobe Welt und springe ...

Liebe Gemeinde, 

Singt dem Herrn ein neues Lied. Wir sind immer noch in der österlichen Freudenzeit. Und heute, am Sonntag Kantate, geben wir der österlichen Freude dadurch Ausdruck, dass wir viel Singen. Denn wer singt, ist innerlich gelöst – muss innerlich gelöst sein, sonst verspannt die Stimme. 

Vielleicht geht es Ihnen ja auch so, dass Sie manchmal, wenn Sie zufrieden und glücklich sind, vor sich her summen. Ich tue es manchmal, und manchmal nerve ich damit auch meine Mitmenschen. 

Der heutige Predigttext handelt von zwei Menschen, die so glaubensstark und innerlich gefestigt sind, dass sie sogar in äußerer Bedrängnis fröhlich und vergnügt singen können. Ich muss bei dieser Geschichhte unwillkürlich an die ersten drei Strophen des Chorals „Jesu, meine Freude“ von Johann Franck denken. Die gehen so (ich lasse ein paar Zeilen aus):

Jesu, meine Freude  / meines Herzens Weide, / Jesu, meine Zier! … Unter deinem Schirmen / bin ich vor den Stürmen / aller Feinde frei. / Lass den Satan wettern, / lass die Welt erzittern, / mir steht Jesus bei. ...

Trotz dem alten Drachen, / trotz dem Todesrachen, / trotz der Furcht dazu! / Tobe, Welt, und springe; / ich steh hier und singe / in gar sichrer Ruh. / Gottes Macht hält mich in acht; / Erd und Abgrund muss verstummen, / ob sie noch so brummen.

Das wünsch ich mir oft: Diese innere Ruhe und Zuversicht, auch wenn alles um mich herum im reinsten Chaos versinkt. Es ist eine Tugend, die von uns allen vielleicht schon in naher Zukunft immer mehr gefragt sein wird. Woher kommt sie? Woher kann sie kommen?

Dem Predigttext für den heutigen Sonntag geht eine bizarre Episode voraus. Der Apostel Paulus und sein Begleiter Silas sind in Philippi. Dort läuft ihnen jeden Tag eine Frau hinterher, eine Frau, die einen Wahrsagegeist hat. Und sie ruft ihnen die ganze Zeit etwas nach „Diese Leute sind Diener des höchsten Gottes. Sie verkünden euch den Weg zur Rettung!“

Das geht so Tag für Tag, so dass es Paulus und Silas kräftig auf die Nerven geht. Was tun sie? Sie nehmen dieser Frau den Wahrsagegeist, damit sie endlich Ruhe gibt. Denn offenbar reicht es nicht, sich auf die Straße zu stellen und laut herumzuposaunen, dass dieser oder jener Weg der Weg zur Rettung sei. Wie es scheint, gehört mehr Evangelium und zum Glauben als das. 

Nun sind aber die Leute wütend, die diese Frau mit dem Wahrsagegeist bei sich als Sklavin halten und von ihrer Wahrsagerei finanziell profitiert haben. Denn Paulus und Silas haben soeben ihr Geschäftsmodell ruiniert. Deshalb verklagen sie die beiden. Daraufhin werden der Apostel und sein Begleiter verhaftet. Dort setzt der Ausschnitt, den ich vorlese, ein; Apostelgeschichte 16: 

Nachdem Paulus und sein Begleiter Silas viele Schläge erhalten hatten, ließ man sie ins Gefängnis werfen. Dem Gefängniswärter wurde eingeschärft, sie besonders gut zu bewachen. Er führte den Befehl aus und brachte sie in die hinterste Zelle. Dort schloss er ihre Füße in den Holzblock. Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und sangen Loblieder für Gott. Die anderen Gefangenen hörten ihnen zu. Plötzlich gab es ein starkes Erdbeben, das die Fundamente des Gefängnisses erschütterte. Da sprangen alle Türen auf, und die Ketten fielen von den Gefangenen ab. Der Gefängniswärter wurde aus dem Schlaf gerissen. Als er sah, dass die Gefängnistüren offenstanden, zog er sein Schwert und wollte sich töten. Denn er dachte, dass die Gefangenen geflohen waren. Aber Paulus schrie laut: »Tu dir nichts an! Wir sind alle noch hier.« Der Wärter rief nach Licht. Er stürzte in die Zelle und warf sich zitternd vor Paulus und Silas nieder. Dann führte er sie hinaus und fragte: »Ihr Herren, was muss ich tun, damit ich gerettet werde?« Sie antworteten: »Glaube an den Herrn, Jesus, dann wirst du gerettet und mit dir deine ganze Hausgemeinschaft.« Und sie verkündeten ihm und allen anderen in seinem Haus das Wort des Herrn. In dieser Nacht, noch in derselben Stunde, nahm der Wärter Paulus und Silas zu sich. Er wusch ihnen die Wunden aus. Dann ließ er sich umgehend taufen – mit allen, die bei ihm lebten. Anschließend führte er die beiden in sein Haus hinauf und lud sie zum Essen ein. Die ganze Hausgemeinschaft freute sich, dass sie zum Glauben an Gott gefunden hatte.

Das erste, was mich an dieser kurzen Erzählung berührt, ist die innere Freiheit, die sich Paulus und Silas bewahren. Sie sind ihrer Bewegungsfreiheit beraubt worden. Man hat sie körperlich verletzt und gedemütigt. Man hat sie in eine Haftzelle gesperrt. 

Wie gehen Sie damit um, wenn man Sie ungerecht behandelt? Wenn man Sie demütigt, wenn jemand sie einsperrt und Ihnen die Bewegungsfreiheit nimmt? Können Sie da singen und Gott loben?

Paulus und Silas singen und loben Gott. Und ihre innere Freiheit, das Maß, in dem sie sich von den äußeren Geschehnissen innerlich abkoppeln können, wie sie ihre innere Gewissheit und Zufriedenheit zu keiner Zeit verlieren, beeindruckt mich. 

Diese innere Freiheit von Silas und Paulus kontrastiert die innere Unfreiheit des Gefängnisaufsehers. Er ist gebunden an seine Pflicht, die Gefangenen beisammenzuhalten. 

Sein Leben verliert jeden Sinn in dem Moment, wo das Erdbeben diese Aufgabe unmöglich macht, wo es die Mauern einreißt und er seiner Aufgabe als Aufseher nicht mehr nachkommen kann – seiner Aufgabe, andere in äußere Bedrängnis zu bringen. Der Mann ist bereit, sich selbst das Leben zu nehmen. 

Und es ist ausgerechnet der äußerlich Gefangene Paulus, der ihn aus dieser inneren Gefangenschaft befreit. „Was muss ich tun, damit ich gerettet werde?“, fragt der Aufseher diejenigen, die gestern noch von seinen Leuten ausgepeitscht wurden. Was muss ich tun, um eure Souveränität und innere Stärke zu erlangen?

Paulus‘ Antwort klingt zu einfach, um wahr zu sein. Sie klingt verkürzt, und das mag die nacherzählte Antwort bei dieser knappen Erzählweise auch sein. Paulus sagt: „Glaube an den Herrn, Jesus, dann wirst du gerettet – und mit dir deine ganze Hausgemeinschaft.“ 

Wir hören indirekt, dass da wohl noch mehr Worte gefallen sein müssen. Denn nicht nur wäscht der Gefängniswärter den Gefangenen ihre Wunden, nicht nur lässt er sich von ihnen taufen, sich und alle, die mit ihm leben. Sondern er führt die beiden in sein Haus und lädt sie zum Essen ein. Und das ist das andere, was mich an dieser kurzen Erzählung berührt. 

Von den ersten Menschen, die dem Auferstandenen folgten, den ersten Christen sozusagen, heißt es: Sie lebten in enger Gemeinschaft, brachen das Brot miteinander und beteten.

Woher kommt die Stärke im Glauben? Sie kommt aus der Bindung an diesen Jesus von Nazareth, der den Tod auf sich nahm, den Gott auferweckte zu neuem Leben. Sie kommt aus der Bindung an den, der Brot und Wein mit seinen Jüngern teilte, und der es auch mit uns teilen will. 

Zueinander halten, miteinander Mahlgemeinschaft halten und sich zum Gebet versammeln, das kennzeichnet die christliche Gemeinde – weil sie auf die Weise an Jesus, den Christus, gebunden bleibt 

Wir haben an den vergangenen Sonntagen häufig das Abendmahl gefeiert. Vergangene Woche war der zweite Sonntag im Monat, da haben wir es turnusgemäß gefeiert. Am Sonntag davor hatten die Konfis ihren Vorstellungsgottesdienst. Sie haben hier vorne einen Tisch gedeckt, auch das war wie ein Abendmahl, ein gemeinsames Mahl, das sie als Teil einer größeren Gemeinschaft erkennbar werden ließ.  

Der Sonntag davor war der vierte Sonntag im April, auch da feiern wir turnusgemäß das Abendmahl. Ostersonntag und Ostermontag haben wir es auch gefeiert – fünfmal also in vier Wochen. Das ist gut so, denn das Abendmahl stärkt und bewahrt uns im Glauben zum ewigen Leben – das sollten wir uns viel häufiger zusprechen.

Ausgerechnet heute feiern wir es nicht. Aber diesen Gedanken können wir vielleicht mitnehmen, dass wir aus dem Gottesdienst Kraft und Mut mit nach Hause nehmen, wenn wir sehen und erleben, wie wir miteinander das Brot brechen und uns zum Gebet versammeln – wie der Mann, dessen äußeres Gefängnis gesprengt wurde und der mit Paulus und Silas seine innere Freiheit fand und mit ihnen das Brot teilte. Das stärke und bewahre uns im Glauben zum ewigen Leben. Amen 

Dies könnte Sie auch interessieren

0
Feed