06/06/2025 0 Kommentare
Schutz vor allem Bösen
Schutz vor allem Bösen
# Predigt

Schutz vor allem Bösen
Liebe Gemeinde,
und ganz besonders, liebe Malina und Kim, und liebe Paten von Tilda und Fred!
Wie schön, dass ihr Tilda und Fred im Gottesdienst taufen lasst. In unseren Gottesdiensten versammelt sich zwar längst nicht die ganze Gemeinde. Aber unsere Gottesdienste sind öffentlich. Jede und jeder kann kommen.
Genau das macht unsere Gottesdienste zu Versammlungen, zu Orten der Gemeinschaft. Wir versammeln uns und setzen uns dem Wort Gottes aus. Wir setzen uns einer Ansage aus, die niemand von uns macht, nicht einmal ich mache sie. Sondern diese Ansage ist uns allen, mich eingeschlossen, nach einem Plan vorgegeben. Was heute Thema ist, bestimmt zum einen der Sonntag mit seiner eigenen inhaltlichen Ausrichtung. Der heutige Sonntag heißt Exaudi, dem lateinischen Beginn von Psalm 67: „Höre, Herr, meine Stimme, wenn ich mein Antlitz zu dir erhebe.“ Exaudi ist also eine Bitte: „Gott, höre mich!“ Und diese Bitte hat mit der Erwartung des kommenden Sonntags zu tun, dem Pfingstsonntag.
Das Thema des heutigen Sonntags ist nämlich vorgegeben durch seine Stellung im Kirchenjahr zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Der Auferstandene Christus verlässt die Menschen, mit denen er sich zu Lebzeiten umgeben hatte. Seine Gemeinde bleibt allein zurück und wartet auf Pfingsten. Sie bittet darum, dass der göttliche Geist auf sie übergeht – ein Geist, der an die Stelle Jesu Christi tritt; ein Geist, der seine Nähe ersetzt und der uns in die Lage versetzt, seine Gegenwart, seine Liebe so zu spüren – wie einst die Jünger.
Gottesdienste sind Versammlungen, bei denen wir uns etwas sagen lassen. Etwas, das uns aufrichtet und stärkt – dass wir gesehen werden in unserer Ohnmacht und Kraftlosigkeit, dass da jemand ist, der sich unserer Schwäche erbarmt, unseres Versagens, unserer Angst, nicht gut genug zu sein. Und dass wir hoffen, wieder mit dabei sein zu können unter denen, die glauben, hoffen und lieben können. Aber dazu müssen wir uns etwas sagen lassen.
Nicht ich bin es, der euch etwas heute zu sagen hat. Sondern meine Aufgabe ist es nur, das Wort Gottes, das Wort der Ermutigung, der Befähigung, das aufrichtende Wort weiterzusagen. Und damit ich es mir damit nicht so leicht mache, gibt mir eine theologische Kommission, die irgendwann einmal getagt hat, für den heutigen Sonntag einen Predigttext vor, einen Ausschnitt aus der Bibel, den ich euch vorlesen und auslegen soll – ungeachtet dessen, ob mir der Ausschnitt gefällt oder nicht. Wir alle, mich eingeschlossen, sollen Hörende werden, sollen Menschen werden, die sich etwas sagen lassen.
Dass ihr Tilda und Fred in einem öffentlichen Gottesdienst taufen lasst, in dem wir uns als Gemeinde versammeln, in dem wir zu Hörenden werden, das finde ich ein starkes Zeichen. Es sagt mir, dass ihr Tilda und Fred in diese Gemeinschaft hineintaufen lassen wollt.
Der Ausschnitt, den wir heute bedenken sollen, ist die zweite Hälfte von Epheser 3, also ein Abschnitt aus dem dritten Kapitel des Epheserbriefes. Es ist ein Auszug aus einem Brief an die antike Gemeinde in Ephesus. Und wir hören darin auch schon gleich so etwas wie die Verheißung von Pfingsten: dass Gottes Geist bald auf die Gemeinde ausgegossen wird. Der Autor dieses Briefes schreibt:
Ich beuge vor dem Vater meine Knie. Jeder Stamm und jedes Volk im Himmel und auf der Erde erhält seinen Namen von ihm. Er soll euch so ausstatten, wie es dem Reichtum seiner Herrlichkeit entspricht: Durch seinen Geist soll er euch in eurer innersten Überzeugung fest machen. Denn Christus soll durch den Glauben in euren Herzen wohnen. Und ihr sollt in der Liebe verwurzelt und fest auf ihr gegründet bleiben. So könnt ihr sie (also Christi Liebe) zusammen mit allen Heiligen in ihrer Breite, Länge, Höhe und Tiefe erfassen. Ihr werdet auch in der Lage sein, die Liebe von Christus zu erkennen, die alle Erkenntnis übersteigt. Auf diese Weise werdet ihr Anteil bekommen an der Gegenwart Gottes. Sie wird euer Leben ganz erfüllen. Dank sei Gott, der die Macht hat, unendlich viel mehr zu tun – weit mehr als alles, was wir von ihm erbitten oder uns ausdenken können. So groß ist seine Macht, die in uns wirkt. Er regiert in Herrlichkeit in seiner Gemeinde – das heißt: in der Gemeinschaft derer die zu Christus Jesus gehören. Das gilt für alle Generationen auf immer und ewig. Amen.
Der Abschnitt gibt uns eine Antwort darauf, wozu Gott seinen Geist an Pfingsten ausgießt: Damit Christus durch den Glauben in unseren Herzen wohnt. Damit wir in der Liebe verwurzelt und fest auf ihr gegründet bleiben. Damit wir diese Liebe in ihren gewaltigen Ausmaßen erfassen, verstehen, dass diese Liebe Christi alle Erkenntnis übersteigt. Und wenn wir dann mit dieser Liebe erfüllt sind, dass dann Gottes große, unendlich große Macht in uns wirken kann.
Was geben wir unseren Kindern bei der Taufe mit? Der Straßburger Reformator Martin Bucer hat das mit einem doppelten Segenswunsch in Worte gefasst: Der dreieinige Gott, in dessen Namen wir taufen, sei Schutz und Schirm vor allem Bösen und Stärke und Hilfe zu allem Guten, dass wir bewahrt bleiben im Glauben.
Schutz und Schirm vor allem Bösen, das wünschen wir uns für unsere Kinder. Dass sie gesegnet bleiben, dass sie bewahrt bleiben vor all dem Übel, das wir im Laufe unseres Lebens kennenlernen, und dazu zähle ich auch all das Übel, das wir in uns selbst erleben: Unsere Angst, unser Kleinmut, unsere Traurigkeit, unser Unvermögen auch nur annähernd dem gerecht zu werden, was wir uns einmal am Anfang unseres Erwachsenenlebens, am Anfang unseres Berufslebens oder am Anfang unseres Ehelebens für uns vorgenommen haben. Unser Verlangen nach Liebe und Anerkennung auf der einen Seite, und unser Scheitern in Beziehungen, unser Scheitern in Freundschaften auf der anderen Seite – auch unsere eigene Boshaftigkeit, vor der wir selbst manchmal erschrecken.
Wir wünschen Gott gegenüber für unsere Kinder, dass er sie bewahre auf diesem steinigen und holperigen Weg, auf dem so viele Gefahren lauern, so viele Abgründe. Wir haben schon so schlimme Dinge erlebt, was Menschen an unserer Seite zustoßen kann, was uns selbst zugestoßen ist: Gott bewahre unsere Kinder, dass sie all diese Gefahren gut durchstehen, dass sie ihren Weg finden – es muss ja nichts Großes dabei herauskommen, aber dass sie irgendwie glücklich bleiben: Das wäre ja schon viel!
Das ist der eine Wunsch. Aber der Predigttext für den heutigen Sonntag erinnert uns an den anderen Wunsch, den viel schwierigeren Wunsch. Denn Erlösung ist ja immer mehr als nur meine Erlösung, mein Weg in den Himmel, mein Weg ins Glück. Erlösung, zumindest wie die Bibel sie denkt, ist immer auch unser aller Erlösung, ist immer auch die Erlösung dessen, der am Wegesrand liegt und meine Hilfe braucht – wie Jesus es im Gleichnis vom barmherzigen Samariter beschreibt. Erlösung ist immer auch die Erlösung der anderen.
Und deswegen formulierte der Straßburger Reformator Martin Bucer einen doppelten Segen: Der dreieinige Gott sei Schutz und Schirm vor allem Bösen – und: Hilfe und Stärke zu allem Guten.
Wir sollen in der Liebe Christi verwurzelt bleiben, mahnt uns der Predigttext aus dem Epheserbrief. In der Liebe Christi, denn es ist eine Liebe, die uns geschenkt wird. Eine Liebe, die damals offenbar wurde, die Menschengestalt annahm und mitten unter uns Menschen wohnte – lange bevor wir lebten -, und die wir heute weiter bezeugen. Eine Liebe, die uns tragen soll und kann.
Es ist eine Liebe, die unser Leben erfüllen kann, die unsere Leere ganz ausfüllen kann. Und die wir in ihren gewaltigen Ausmaßen erfassen können. Und sie ist eine Liebe, die durch uns hindurch wirken und andere anstiften und auf andere übergehen kann: Hilfe und Stärke zu allem Guten.
Ihr lasst eure Kinder in einem öffentlichen Gottesdienst taufen, damit sie vom Segen erfüllt werden, und damit sie selbst ein Segen werden können – für andere. Wie, das liegt nicht in eurer Hand. Es ist auch nicht eure Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Tilda und Fred ein Segen für andere werden. Sondern es ist eure Aufgabe, Tilda und Fred ein Zuhause zu geben, mehr nicht. Alles andere liegt in Gottes Hand. In der Hand dessen, der die Macht hat, unendlich viel mehr zu tun – weit mehr als alles, was wir von ihm erbitten oder uns ausdenken können. Amen
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