23/02/2025 0 Kommentare
Mit dem Apostel Paulus unterwegs
Mit dem Apostel Paulus unterwegs
# Predigt

Mit dem Apostel Paulus unterwegs
Liebe Gemeinde,
heute ist Wahlsonntag. Vermutlich gehen wir alle mit unterschiedlichen Gefühlen auf den heutigen Abend um 18 Uhr zu, wenn die ersten Prognosen über den Ausgang der Wahl verkündet werden.
Viele von uns machen sich Sorgen, wie die Wahl wohl ausgehen könnte. Einige von uns haben Sorgen, die ihnen noch größer erscheinen als der Wahlausgang. Sie werden dem Wahlergebnis nicht allzu viel Raum geben können. Denn wir sorgen uns ja nicht nur darum, wie Deutschland regiert wird. Wir sorgen uns oft ja noch viel mehr um liebe Verwandte oder Freunde.
Manche treibt auch die Sorgen um das eigene Auskommen, andere Sorgen am Arbeitsplatz, der Umgang unter Kolleginnen und Kollegen; vielleicht steht bei manchem auch die Sorge im Vordergrund, dass man unter der Last der Aufgaben, die man erledigen muss, nicht mehr klarkommt.
Das Gleichnis Jesu sagt nun: Sorgen drohen das Wort Gottes in uns zu ersticken, wie die Disteln den jungen Trieb überwuchern und ersticken können, der aus dem Samen kommt.
Klar, wir versuchen solchen Sorgen zu entkommen. Manche von uns haben vielleicht Wege gefunden, sich ablenken zu lassen von all dem, was in den Nachrichten auf uns einprasselt. Sie suchen Ablenkung in kleinen Vergnügungen, zerstreuen sich auf Social Media oder mit kleinen Unterhaltungsspielen, mit Kreuzworträtseln. Sie lassen den grausamen Alltag vor der Haustür an sich vorbeiziehen, ziehen die Rollläden runter und verschließen die Augen. Das ist ein legitimer Weg, sich zu schützen; aber er birgt die Gefahr in sich, dass dann eben auch das Wort Gottes von uns abprallt, wie der Same vom Felsen. Dass der Ruf Gottes keinen fruchtbaren Boden in uns findet, der Ruf, der uns jetzt sagt, wozu wir gefordert sind. Das das Wort Gottes keine Frucht tragen kann.
Wieder andere von uns haben sich ihre eigenen Erklärungen für die Welt zurechtgelegt. Sie stöbern viel in abseitigen Nachrichtenkanälen. Sie glauben herausgefunden zu haben, wie die Welt wirklich funktioniert, und dass die etablierten Medien uns nur anlügen.
Ja, es ist ja gut, kritisch zu sein und nicht immer alles zu glauben. Aber die Gefahr ist eben auch, dass wir bei aller Kritik den Blick für das Eigentliche verlieren. Dass wir uns in Verschwörungserzählungen verlieren. Das Gleichnis vom Sämann, das wir als Evangeliumslesung gehört haben, sagt sogar, dass der Teufel selbst in unseren Herzen wildert und dass er es ist, der Gottes Wort keine Chance lässt, dort anzukommen.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag weist einen Weg aus dieser Misere, dass wir uns mit allen Mittel das Wort Gottes vom Leib halten, dass wir nicht hinhören sondern unser Herz verstocken lassen. Der Predigttext ist eigentlich nur ein kurzer Abschnitt, herausgeschnitten aus der fortlaufenden Erzählung der Apostelgeschichte.
Die Apostelgeschichte erzählt, wie sich der Apostel Paulus einige Jahre nach seiner eigenen Bekehrung zu Christus auf Missionsreise begibt. Zunächst reist er von der Hafenstadt Antiochien übers Mittelmeer und über die Insel Zypern ins südliche Kleinasien, die heute südliche Türkei, und wieder zurück. Dann reist er nach Jerusalem und bespricht sich mit den früheren Weggefährten Jesu. Und dann macht er sich wieder auf den Weg, diesmal auf dem Landweg über Kleinasien Richtung Griechenland.
Er kommt schließlich an den Bosporus und ans Marmarameer, wo der asiatische und der europäische Teil der heutigen Türkei durch eine schmale Meerenge voneinander getrennt sind. Und dort, wo das Marmarameer ins Mittelmeer fließt, in die Ägäis oder genauer: ins Thrakische Meer, noch auf der asiatischen Seite, bekommt Paulus den Ruf, nach Makedonien zu ziehen. Das ist die heute noch griechische Gegend nördlich von Thessaloniki. Von diesem kleinen Stückchen seiner Reise handelt der heutige Predigttext.
Eigentlich ist dieser Predigttext nur Reisewegbeschreibung. Aber ich glaube, dass er dennoch eine Botschaft in sich trägt, die ich ihnen in vier Abschnitten vortragen möchte. Der erste Abschnitt handelt davon, wie Paulus auf das Wort Gottes hört. Der zweite, wie er und seine Reisegesellschaft die Menschen und ihre Lebenswelten wahrnehmen, sie auf sich wirken lassen. Der dritte Abschnitt handelt davon, wie sie zu den Menschen hingehen. Und der vierte Abschnitt davon, wie Paulus, wie seine Begleitung und wie die Menschen, auf die sie treffen, das Herz füreinander und für Gottes Wort öffnen – und wie sie Vertrauen fassen.
Ich lese den ersten Abschnitt, Apostelgeschichte 16,9-10, als Paulus auf dem asiatischen Teil der heutigen Türkei am Bosporus noch überlegt, wie seine Reise weitergehen soll.
In der Nacht hatte Paulus eine Erscheinung.
Ein Mann aus Makedonien stand vor ihm und bat:
»Komm herüber nach Makedonien und hilf uns!«
Gleich nachdem Paulus die Erscheinung gehabt hatte,
suchten wir nach einer Möglichkeit,
um nach Makedonien zu gelangen.
Denn wir waren sicher:
Gott hatte uns dazu berufen,
den Menschen dort die Gute Nachricht zu verkünden.
Auf Gottes Wort hören
Woher weiß ich, ob Gott zu mir redet, oder ob ich mir das nur einbilde?
Paulus hat eine Erscheinung. Etwas steht plastisch vor ihm. In der Nacht sind Erscheinungen meistens Träume. Vielleicht geht es Ihnen auch so: Wenn ich eine Sache überschlafe, eine Nacht über etwas verstreichen lassen, sehe ich am nächsten Morgen die Dinge klarer. Die Nacht unterbricht meinen Gedankenfluss, meine Betriebsamkeit, meinen Eifer um bestimmte Dinge. Im Schlaf zieht sich das bewusste, das wollende Ich zurück – und die Bilder des Tages, der Woche kommen hoch. Ungeordnet zwar, assoziativ, aber doch losgelöst von dem sich selbst behauptenden Ich, das sich tagsüber immer in den Vordergrund drängt.
Ist es Gottes Stimme, die in den Träumen zu mir spricht? Die Bibel äußert sich da kritisch. Der Prophet Jeremia verspottet sogar die Leute, die von ihren Träumen erzählen und ihnen eine Bedeutung abringen wollen. Und die Bibel hat Recht. Nur weil ich etwas geträumt habe, heißt es noch lange nicht, dass ich dieser Spur folgen soll.
Eine große Ausnahme kennt die Bibel aber auch: Josef, der Sohn des Jakob, einer von zwölf Brüdern, Jakobs Lieblingssohn. Er ist der große Träumer. Er träumt davon, wie sich alle seine Brüder, sein Vater und seine Mutter vor ihm verneigen. Und er deutet anderer Leute Träume, vor allem aber den Traum des Pharao von den sieben fetten und den mageren Kühen, die für sieben fette Jahre der Fülle und sieben magere Jahre der Dürre stehen. Und er deutet den Traum: Sieben Jahre soll der Pharao in die Scheunen sammeln, dann hat er sieben Jahre Vorrat, wenn die Zeit der Dürre ansteht. Pharao folgt seinem Traumdeuter. Er setzt ihm zum Obersten des Landes ein. Und schließlich kommen sogar seine Brüder und sein Vater, und sie müssen sich vor Josef verneigen.
Träume geben uns keine Sicherheit. Aber Träume geben unserer Intuition Raum, sie sind Eingebungen. Wer gibt uns den Traumgedanken ein? Vielleicht Gott. Aber wir sollten uns dessen nicht allzu sicher sein.
Paulus hat eine Erscheinung, eine Eingebung, eine Intuition, und er folgt ihr. Paulus lässt eine Stimme zu sich sprechen, die zu Wort kommt, wenn das willensstarke Ich, das sich selbst behauptende Ich zur Ruhe kommt: in der Nacht. Paulus deutet, und irgendwie ist er sich sicher: Gott hat ihn berufen, den Menschen in Makedonien die gute Nachricht zu verkünden.
Ich lese den zweiten Abschnitt, Apg 16,11-12:
Von Troas aus setzten wir auf dem kürzesten Weg nach Samothrake über.
Einen Tag später erreichten wir Neapolis.
Von dort gingen wir nach Philippi.
Das ist eine bedeutende Stadt in diesem Teil Makedoniens
und eine römische Kolonie.
In dieser Stadt blieben wir einige Zeit.
Die Menschen wahrnehmen
Was sind diese Zeilen mehr als eine dürre Reisewegbeschreibung?: Die Reise geht von Troas über Samothrake, Neapolis (Deutsch: Neustadt) nach Philippi.
Man muss zwischen den Zeilen lesen, um mehr in diesen Zeilen zu erkennen. „Von Troas aus setzten wir auf dem kürzesten Weg nach Samothrake über“, heißt es – Samothrake ist eine Insel im Thrakischen Meer. Aber die Insel ist nur Zwischenstation, denn nur einen Tag später erreicht die Reisegruppe die 150 Kilometer entfernte Hafenstadt Neapolis, einen kleinen unbedeutenden Hafen da, wo heute der Hafen von Kavala liegt. Es muss eine ruhige Überfahrt gewesen sein, so schnell wie das Schiff dort ankommt. Von Neapolis sind es nur wenige Kilometer bis Philippi.
Philippi ist eine bedeutende Stadt in diesem Teil Makedoniens, schreibt der Erzähler, der übrigens in der ersten Person plural berichtet und sich mit dem „wir“ als Teil der Reisegruppe ausgibt: „wir gingen nach Philippi.“ – Wie ist Philippi? „Philippi ist eine römische Kolonie“, sagt der Erzähler.
Verstehen wir die Orte, in die wir kommen, die wir bereisen – verstehen wir den Ort, an dem wir heimisch sind? Wie ist Offenbach? Warum ist Offenbach, wie es ist? Offenbach war ursprünglich eine Hugenottenstadt. Dann eine Industriestadt, die Lederstadt. Dann kam der Niedergang der Industrie, und Offenbach wurde zur Erstanlaufstation für migrantische Familien. Heute ist Offenbach die fünftgrößte Stadt Hessens, und unter allen deutschen Großstädten diejenige mit dem höchsten Anteil an Zugewanderten.
Was ist Offenbach für mich? Die Stadt meines Elternhauses. Die Stadt meiner Schule und meiner Schulfreundinnen und -freunde. Die Stadt meiner Ausbildung, meines Studiums. Die Stadt, in der ich seit vielen Jahre arbeite – oder in der ich viele Jahre gearbeitet habe. Die Stadt, in der meine Kinder aufgewachsen sind. Die Stadt, in der ich heimisch geworden bin – in jungen oder in späten Jahren.
Welche Orte in Offenbach schätze ich, liebe ich? Welche blende ich aus, meide ich – wo war ich schon lange nicht mehr? All das macht mein Offenbach aus. Aber was macht das Offenbach derer aus, mit denen ich sonst Umgang habe? Und was macht das Offenbach derer aus, die mir im Alltag physisch begegnen, mit denen ich aber nie ein Wort wechsele – vielleicht auch, weil sie keine Deutsch sprechen?
Was wir von Offenbach wissen, ist begrenzt. Für jeden und jede von uns ist die Stadt eine andere. Wir können unsere Wege beschreiben, unsere Orte in Offenbach, aber nicht viel mehr. Der Reisebegleiter beschreibt den Weg der Reisegruppe: Troas, Samothrake, Neapolis, Philippi. Was er sieht, ist nur ein Ausschnitt.
Ich lese den dritten Abschnitt, Apg 16,13-14
Am Schabbat gingen wir durch das Stadttor hinaus an den Fluss.
Wir nahmen an, dass dort eine jüdische Gebetsstätte war.
Wir setzten uns und sprachen zu den Frauen, die an diesem Ort zusammengekommen waren. Unter den Zuhörerinnen war auch eine Frau namens Lydia. Sie handelte mit Purpurstoffen und kam aus der Stadt Thyatira.
Zu den Menschen hingehen
Paulus und seine Reisebegleitung sind Juden. Sie gehen durch das Stadttor hinaus an den Ort, von dem sie meinen, dass dort eine jüdische Gebetsstätte sei.
Paulus sucht in der Fremde Orte auf, an denen er vertraute Menschen vermutet.
Wer schon mal eine längere Zeit im Ausland gelebt hat, weiß, wo sich dort die Deutschen treffen: in der deutschen Kirchengemeinde, bei Veranstaltungen im Goethe-Institut, bei Firmen-Events, in den Gated Communities für Ex-Pats, für die ausländischen Firmenangehörigen.
Menschen wollen unter ihresgleichen sein.
Wenn wir unseresgleichen aufsuchen, dann halten wir es uns für eine Selbstverständlichkeit.
Wenn es andere tun, dann wird gerne schlecht über sie geredet: „Parallelgesellschaft“, spotten die einen. „Die wollen sich nicht integrieren“, schimpfen die anderen.
Und das stimmt. Es ist ja auch bequemer unter seinesgleichen zu bleiben. Nicht alle wollen sich anpassen. Aber ehrlicherweise muss man sich auch selbst fragen: Wie wäre es denn bei mir, wenn ich im Ausland unterkomme? Suche ich dann meinesgleichen, oder mische ich mich unter die Einheimischen und passe mich an?
Paulus sucht seinesgleichen. Er spricht die an, bei denen er Anknüpfungspunkte vermutet, die seine Sprache sprechen, seine Botschaft verstehen.
Er setzt sich zu den Frauen – was damals durchaus ungewöhnlich war. Ein Mann setzt sich zu den Frauen? Darf er das? Ist das erlaubt? Paulus nimmt es sich einfach heraus. Er ist so frei.
Und er spricht die jüdischen Frauen an, seinesgleichen. Eine von ihnen fühlt sich angesprochen: Lydia, eine Purpurhändlerin, eine Unternehmerin, eine gestandene Frau. Sie kommt aus der Stadt Thyatira. Thyatira liegt da, wo Paulus und seine Reisegesellschaft gerade herkommen: in Kleinasien. Lydia ist eine Zugezogene – in zweierlei Hinsicht. Sie lebt nicht mehr in Thyatira sondern in Philippi. Und sie hängt nicht mehr der Religion ihrer Eltern an, sondern sie ist eine „Gottesfürchtige“ – eine, die zwar nicht Jüdin ist, sich aber zum jüdischen Glauben hingezogen fühlt.
Ich lese den vierten Abschnitt, Apg 16,14-15
Lydia glaubte an den Gott Israels. Der Herr öffnete ihr das Herz, so dass sie den Worten von Paulus aufmerksam zuhörte. Sie ließ sich taufen zusammen mit ihrer ganzen Hausgemeinschaft. Danach bat sie: »Wenn ihr überzeugt seid, dass ich wirklich an den Herrn glaube, dann kommt in mein Haus. Ihr könnt bei mir wohnen!« Sie drängte uns, die Einladung anzunehmen.
Das Herz füreinander und für Gottes Wort öffnen und Vertrauen fassen
Was mag Paulus mit den Frauen beredet haben?
Er sprach zu den Frauen, heißt es in der Übersetzung, die ich Ihnen vorgelesen habe. Eigentlich steht im griechischen Urtext nur ein Dativ (ἐλαλοῦμεν ταῖς συνελθούσαις γυναιξίν) – er sprach mit den Frauen, die zusammengekommen waren.
Worüber sie sich wohl unterhalten haben?
Ich hatte neulich ein Gespräch, über das meine Gesprächspartnerin später sagte: Das Gespräch sei so intensiv gewesen. Dabei hatte ich selbst praktisch nichts gesagt. Sie hatte erzählt, am Totenbett ihres Lebensgefährten. Und ich hörte zu, stellte hier und da Nachfragen.
Vielleicht predigte Paulus gar nicht, wie er es sonst tat: von der Heilsgeschichte, von dem Gott, der die Propheten sandte und schließlich seinen eigenen Sohn, den die Menschen ablehnten und töteten, und der am dritten Tage auferstand von den Toten. So predigt Paulus nämlich immer, wenn er irgendwo ankommt.
Vielleicht predigte er gar nicht zu den Frauen am Flussufer in Philippi. Vielleicht redet er mit ihnen, hörte zu, stellte hin und wieder Nachfragen und gab Ihnen Sicherheit: eine Sicherheit, die ihnen ermöglichte, all das loszuwerden, das ihnen auf der Seele lag. Ein intensives Gespräch, eines, an dessen Ende Lydia, die Purpurhändlerin, eine gestandene Frau, sagen konnte: Hier, in diesem Gespräch habe ich etwas gefunden, das mich da sein lässt, wo ich immer schon sein wollte. Etwas, das mich das finden lässt, was ich immer schon diffus im jüdischen Glauben suchte.
Und Lydia lässt sich taufen.
Können wir auch dann Hörende, wenn wir - erfüllt von Gottes guter Nachricht für diese Welt - Zeugnis davon geben wollen? Denn das ist ja das Thema des heutigen Sonntags: Gottes Wort hören. Und im Wort der anderen, Gottes Stimme heraushören. Die eigene Stimme, die sich in den Vordergrund drängen will, ausschalten. Nicht den Augenblick übertönen, sondern hören, die Ohren aufsperren, zu Empfangenden werden.
Ich gebe dir Raum, du gibst mir Raum.
Lydia spürt das Vertrauen, das ihr entgegengebracht wird. Sie spürt es. Aber sie ist eine gestandene Frau, eine Geschäftsfrau, eine, die sich nicht einlullen lässt. Davon zeugt ihr Angebot, dass sie Paulus und seiner kleinen Reisegesellschaft vorsichtig macht: „Wenn ihr überzeugt seid, dass ich wirklich an den Herrn glaube, dann kommt in mein Haus. Ihr könnt bei mir wohnen!“
Und sie bedrängt die Fremden, ihre Einladung anzunehmen.
Morgen ist Wahlsonntag. Viele von uns sehen den ersten Prognosen um 18 Uhr mit Bangen entgegen, mit großer Sorge. Dazu gibt es viel Anlass.
Manche sagen sich: Was solls? Ich kann mit meiner einzelnen Stimme sowieso nichts bewirken. Und die Dinge kommen eh, wie sie kommen. Sie verkriechen sich ins Private, suchen Ablenkung in kleinen Alltagsfreuden, manche blenden die Wahl vielleicht auch ganz aus. Angesichts der überwältigenden Gefahren, die überall lauern, selbst von unseren bislang engsten Verbündeten, eine verständliche Schutzreaktion.
Wieder andere sehen sich von Gefahren umzingelt und bedroht. Sie misstrauen allen und jedem, außer denen, die ihnen im Internet verrückte Verschwörungstheorien anbieten. In solche eine Ablehnungshaltung zu verfallen ist auch eine Art Schutzreaktion, eine von Angst getriebene Reaktion.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag ermutigt uns mit einer ganz einfachen Geschichte, wieder Hörende zu werden. Die eigene Stimme auszuschalten, sich zurückzuhalten, sich auf andere einzulassen, sich auch auf die Ruhe der Nacht einzulassen, der Intuition wieder Raum zu geben, Gottes Wort wieder Raum zu geben.
„Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, verstockt eure Herzen nicht“ – dazu fordert der Wochenspruch auf.
Ja, es mag wie eine Aufforderung klingen. Aber im Grunde ist es doch ein Entspannungssignal. „Lehn dich mal zurück. Halte dich einfach zurück. Du musst nicht in Panik verfallen, du musst nicht vor Angst erstarren, du musst nicht aus Sorge deine Krallen ausfahren, du muss nichts und niemanden retten. Sorge nicht. Lass dich fallen. Gottes Wort ist schon da. Es ist ganz nahe bei dir, in deinem Herzen, dass du es spürst – und ganz besonders in deinem Ohr, dass du es hörst. Und wenn du hörst, dann weißt du automatisch auch, was zu tun ist.“
Amen.
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