Ein Empfehlungsschreiben Christi

Ein Empfehlungsschreiben Christi

Ein Empfehlungsschreiben Christi

# Predigt

Ein Empfehlungsschreiben Christi

Liebe Gemeinde, 

als ich das erste Mal in meinem Leben in der Friedenskirche war, das war am Sonntag nach Himmelfahrt 2022, da habe ich bemerkt, wie so ein richtig cooler Jugendlicher nach dem Gottesdienst durch den Altarraum zur Sakristei lief. Er kannte sich offensichtlich aus. Er kam mit etwas aus der Sakristei zurück, er räumte irgendetwas weg, er setzte sich mit anderen Jugendlichen auf die Altarstufen. Was dann geschah, weiß ich nicht, weil ich an Pfarrerin Jette Crüwell vorbei die Kirche verließ. 

Ich war mit einer Bekannten hier im Gottesdienst, um zu sehen, ob diese Kirche so ein Ort ist, an dem ich mir vorstellen kann zu arbeiten. Ich bin mit der Bekannten einmal um den Block gelaufen, Körnerstraße hoch, links in die Bismarckstraße, links in die Tulpenhofstraße, und als wir schließlich am Hintereingang Tulpenhofstraße wieder bei der Friedenskirche ankam, radelte dieser coole Jugendliche zur Hofeinfahrt hinaus, hinter sich im Tross drei oder vier Jungs, die alle mit ihm die Tulpenhofstraße runterfuhren. 

Als ich das sah, wusste ich in meinem Herzen sofort: Hier willst du Pfarrer sein. Ich habe am Montag darauf den Propst angerufen und gesagt: „Friedenskirche Offenbach, das ist sie.“

Als ich dem Kirchenvorstand meine Bewerbung schrieb, formulierte ich: „Eine Gemeinde mit jugendlichem Küster, der seine Freunde zum Gottesdienst mitnimmt, ist gesegnet. Ein super Start für etwas Großes!“ 

Bemerkenswert ist, wie der Predigttext für den heutigen Sonntag anfängt. Da schreibt Paulus im 2. Korinther 3, Vers 3: „Unser Empfehlungsschreiben seid doch ihr. Ihr seid in unsere Herzen geschrieben, und alle Menschen können es lesen und verstehen. Ja, es ist offensichtlich: Ihr seid ein Empfehlungsschreiben, das von Christus kommt.

Euer Empfehlungsschreiben an mich war der erste Gottesdienst, den ich hier erlebte. Wie Frau Vongries uns Fremde damals vor der Kirche herzlich empfing und uns in einen freundlichen Smalltalk verwickelten. Wie uns oben an der Tür zwei lächelnde Kirchenvorstände empfingen mit Liederbüchern. Und dann, wie am Ende diese Jugendlichen auf den Altarstufen allen anderen die Show stahlen. 

Unser Empfehlungsschreiben seid doch ihr. Ihr seid in unsere Herzen geschrieben, und alle Menschen können es lesen und verstehen. Ja, es ist offensichtlich: Ihr seid ein Empfehlungsschreiben, das von Christus kommt.

Paulus schreibt diesen Brief an eine Gemeinde, die er selbst einmal gegründet hatte, weshalb er fortfährt: „Zustande gekommen ist es (also dieses Empfehlungsschreiben) durch unseren Dienst.“ – Er meint seinen Dienst. 

Hier in der Friedenskirche gehören einige sicherlich noch zu der Generation Lehmann. Aber zur Gründergeneration gehört niemand. Weshalb wir wohl sagen können: Zustande gekommen ist dieses Empfehlungsschreiben durch unser aller DienstEs wurde nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes. Es steht auch nicht auf Steintafeln, sondern in euren Herzen, den Herzen der Menschen hier in der Friedenskirche.“ 

Mich bewegen diese Worte des Paulus, weil hier in den Offenbacher Kirchen gerade so viel in Bewegung ist. Der Evangelische Regionalverband Frankfurt-Offenbach muss viel Geld einsparen, und holt zum großen Schlag aus. Sparen, sparen, sparen. Was kann uns retten vor dem Kahlschlag an falscher Stelle? „Unser Empfehlungsschreiben seid doch ihr.“ Ihr alle, die ihr hier sitzt.

Woher wissen wir das, dass wir ein Empfehlungsschreiben für die Menschen im Westend sind, für Menschen im Westen Offenbachs vom Buchrain hoch bis zur Hafeninsel? 

„Diese Zuversicht haben wir durch Christus. Sie gilt auch gegenüber Gott. Von uns aus sind wir dazu gar nicht fähig. Wir können uns nicht etwas zuschreiben, als hätten wir es aus eigener Kraft erreicht. Sondern es ist Gott, der uns dazu befähigt hat. Er hat uns die Fähigkeit verliehen, Diener des neuen Bundes zu sein.“ 

Das sind nicht meine Worte, sondern die des Paulus gegenüber der Gemeinde in Korinth. Aber sie sehen, die Worte gelten noch immer. 

Was macht uns zum Empfehlungsschreiben Gottes? Was macht uns zu den Einladenden, 

  • zu denen, die man gerne aufsucht, 
  • wo man gerne andockt, wenn man in Offenbach neu ist, 
  • wo man gerne seine Kinder hinschickt, um ihnen etwas von dieser wohligen Kirchenheimat angedeihen zu lassen, sie etwas spüren lassen von dem, was christliche Kirche sein kann, Beheimatung, ein Ort, wo man über sich hinaus wachsen kann.

Was macht uns zu einer Gemeinschaft ohne Vereinsziel? – wo es nicht um sportliche Leistung oder Fitness geht, wo es nicht um Karnevalsspaß oder irgendeine andere Art von Zweckgemeinschaft geht, sondern Gemeinschaft um ihrer selbst willen, um Gottes Willen! Weil man eine Ahnung hat, dass ein Geheimnis unser Leben umweht, weil unser Leben eingebettet ist in etwas Größeres, was uns Demut und Bescheidenheit abverlangt – und das thematisieren und reflektieren wir dann ja auch im Gottesdienst. Dass wir uns dem Wort Gottes stellen, uns gedanklich abarbeiten an dem, was uns die Heilige Schrift zu sagen hat. Und dass wir uns immer wieder die Hand reichen, einander Frieden wünschen, Jesu Einladung folgen und uns um seinen Tisch versammeln. 

Die Grundlage dieses Bundes sind nicht Buchstaben, sondern der Heilige Geist“, schreibt Paulus, und es klingt so fromm, wenn er so etwas schreibt. Aber wenn er fortfährt, wird das sofort einsichtig, was für ihn dieser Heilige Geist ist: „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“ 

Dieser letzte Satz des Predigttextes ist ja sprichwörtlich geworten. Aber so etwa stelle ich mir den Treffpunkt Friedenskirche im Westend vor, den Treffpunkt für den Nordwesten Offenbachs, den Treffpunkt für die Straßenzüge vom Buchrain hoch bis zur Hafeninsel: Er soll ein lebendiger Treffpunkt sein. Ein Ort der Neugierde aufeinander, ein Ort des sich Ausprobierens, ein Ort der Kunst – ganz in der Nähe der HfG. Ein Ort, wo junge Menschen zu starken Persönlichkeiten heranreifen können. Ein Ort der Freiheit und zugleich des Respekts. Ein einladender Ort. Ein Ort, wo Nähe erlebt wird, aber zugleich auch der Respekt wahrende Abstand.  

Ich gehe etwas bang in diese Sparrunden des Evangelischen Regionalverbundes für Frankfurt und Offenbach hinein. Aber wenn ich euch so vor mir sehe, dann denke ich: 

Unser Empfehlungsschreiben seid doch ihr. Ihr seid in unsere Herzen geschrieben, und alle Menschen können es lesen und verstehen. Ja, es ist offensichtlich: Ihr seid ein Empfehlungsschreiben, das von Christus kommt.“ Amen. 

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