Das Alte hinter sich lassen...

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# Predigt

Das Alte hinter sich lassen...

Liebe Gemeinde, 

wann haben Sie zuletzt Ihre Meinung zu einem Thema grundlegend geändert? Wann haben Sie zuletzt zu jemandem gesagt: Das ist ja spannend, das habe ich noch nie so gesehen, darüber muss ich weiter nachdenken? Und wann sind Sie zuletzt zu jemandem gegangen, mit dem Sie sich verkracht haben und haben gesagt: „Das tut mir leid, wie ich mich verhalten habe! Kannst du mir verzeihen? Und wollen wir es noch einmal miteinander versuchen?“ 

Neu anfangen, das Alte hinter sich lassen, ist manchmal gar nicht so einfach. Was hindert mich daran? Mein Stolz? – mein noch immer schwelender Groll? – meine Sturheit?  

„Lasst euch erneuern“ – das klingt so einfach. Wir erneuern ja ständig Dinge: Das alte Geschirr kann raus, es kann mal neues auf den Tisch. Die alte Tischdecke muss man nicht mehr waschen, wir können uns auch einmal eine neue leisten. Das gewohnte Auto mit dem gewohnten Urlaubsduft kann weg; wir brauchen mal wieder Abwechslung, etwas Neues, zumal das alte langsam immer teurer wird mit den vielen Reparaturen. 

Oder wir erlernen aufs Alter noch mal etwas Neues: E-Bike fahren. Sich ein Instagram-Konto anlegen. E-Banking. Vom alten Rechner auf ein neues System umsteigen. Mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz nach Antworten auf Computerprobleme suchen. Manche tun das im Alter von 80 oder mehr Jahren zum ersten Mal in ihrem Leben. Alle Achtung, wer das hinbekommt!  

Aber wenn es an den Kern geht, unser Inneres, an unseren eigenen Stolz, unseren eigenen Zorn, unsere eigene Flexibilität – wie viel Erneuerung lassen wir dann noch zu? 

Der Predigttext aus dem 2. Korinther 13,11-13 fordert genau das von uns, vielleicht das Schwerste überhaupt. Paulus endet seinen 13 Kapitel langen Brief, in dem er die Gemeinde in Korinth lauter ermahnende Worte schreibt, mit folgender Aufforderung und folgendem Gruß: 

„Schließlich, liebe Brüder und Schwestern: Freut euch! Lasst euch erneuern! Nehmt euch meine Ermahnungen zu Herzen! Seid auf Einigkeit aus und lebt in Frieden miteinander. Dann wird der Gott, der Liebe und Frieden schenkt, mit euch sein.

Grüßt einander mit dem heiligen Kuss. Alle Heiligen lassen euch grüßen. Ich wünsche euch allen die Gnade, die der Herr Jesus Christus gewährt. Ich wünsche euch die Liebe, die Gott schenkt, und die Gemeinschaft, die der Heilige Geist bewirkt.“ 

Lasst euch erneuern! Seid auf Einigkeit aus! Lebt in Frieden miteinander! Zum Frieden gehören immer zwei. Will der andere, mit dem ich nicht klarkomme, überhaupt im Frieden mit mir leben? Wie lange ist meine Geduld, wie lange strecke ich meine Hand aus – und wann ist es endlich mal gut? 

Worte der Versöhnung und des Friedens sind so einfach gesagt. Aber wir kennen aus unserem unmittelbaren Umfeld so viele Situationen, in denen sie an der Realität scheitern, oder auch: an unserem Stolz scheitern – oft genug auch an unseren aufgezehrten Kraftreserven scheitern, an der beharrlichen Boshaftigkeit der anderen scheitern. Natürlich möchte man nicht selbstgerecht sein und schlecht über andere reden. Aber nach Jahren, in denen man ein ums andere Mal immer wieder die gleichen Anfeindungen erlebt, kann man irgendwann nicht mehr, sind die eigenen Reserven erschöpft, ist die Fähigkeit zu vergeben und die Hand auszustrecken aufgebraucht.

Was mich berührt an den Worten des Paulus, ist, dass er sagt: „Lasst euch erneuern.“ Er sagt ja nicht, ich soll mich selbst erneuern, aus eigener Kraft erneuern. Er sagt nicht: Streng dich an! Spring doch mal über deinen Schatten! Sondern er sagt: Da ist ein anderer, der das für dich macht. 

Heute ist der Sonntag Trinitatis, das Fest der heiligen Dreieinigkeit. Nach der langen Osterzeit, …

  • in der wir gehört haben, wie Gott den Gekreuzigten zu neuem Leben erweckt, 
  • in der wir vor zwei Wochen gehört haben, dass Jesus den Tröster ankündigt, den Heiligen Geist, der in der Zeit seiner Abwesenheit uns begleiten wird, 
  • in der wir vor einer Woche von der Ausgießung des Heiligen Geistes gehört haben, …

feiern wir heute, dass die Dreifaltigkeit vollkommen ist: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Im Namen dieser drei taufen wir, haben wir in diesem Jahr schon einige Kinder und Jugendliche getauft. Im Namen dieser drei segnen wir am kommenden Samstag unsere 12 Konfirmandinnen und Konfirmanden, weil wir sie nun nach einem Jahr des Unterrichts für reife Christinnen und Christen befinden. Im Namen dieser drei erinnern wir einander Sonntag für Sonntag, dass auch wir aus der Taufe gekrochen sind. Dass auch wir wiedergeboren sind, wie es Jesus in der Evangeliumslesung sagt: aus Wasser und Geist geboren sind. Dass auch wir berufen sind als die Auserwählten Gottes, die Heiligen und Geliebte Gottes, dass wir uns jederzeit mit herzlichen Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld einkleiden sollen. 

Können Sie das? Oder fallen Sie immer wieder hinter Ihre Erwartungen zurück? 

„Lasst euch erneuern“, sagt Paulus. Er sagt nicht: Jetzt reißt euch mal zusammen. Sondern er sagt: Lasst den Heiligen Geist dieses Werk vollbringen. Hört auf, euch anzustrengen. Werdet weich, werdet durchlässig, werdet Empfangende. Dann wird der Gott, der Liebe und Frieden schenkt, mit euch sein. 

Wie werde ich weich? Indem ich passiv werde. Indem ich aufhöre, alles selbst in die Hand zu nehmen, alles selbst regeln zu wollen. Indem ich der Zeit – und damit Gott die Chance gebe, den Zwist zwischen mir und meinen Geschwistern, zwischen mir und meinem Nachbarn, meinen Freunden, meinen Eltern oder meinen Kindern zu heilen. Nicht ins Handeln kommen, sondern ins Nichthandeln kommen. Abwarten. Hoffen. Beten.

Wo ich aufhöre, selbst den Streit zu versöhnen, wo ich anfange, Gott Raum zu geben, Gott wirken zu lassen, da werde ich weich, da überlasse ich Gott die Möglichkeit, mich zu verändern, mich zu erneuern – weil nicht mehr ich derjenige bin, der die Dinge regelt. 

Das einzige, was ich beitragen kann: Die eigenen Gedanken bearbeiten. Den eigenen Zorn loslassen, die eigene Entfremdung loslassen, die inneren Zwiegespräche und Streitgespräche verstummen lassen. Sich guten Gedanken zuwenden. In sich selbst die guten Gedanken, die barmherzigen Gedanken kultivieren. In sich selbst das herzliche Erbarmen, die Freundlichkeit, die Demut, die Sanftmut und die Geduld kultivieren. 

Und deshalb endet Paulus seinen Brief an die Korinther, in dem er so viele Ermahnungen losgeworden ist, mit diesen versöhnlichen Worten:

Ich wünsche euch allen die Gnade, die der Herr Jesus Christus gewährt. Ich wünsche euch die Liebe, die Gott schenkt, und die Gemeinschaft, die der Heilige Geist bewirkt.

Liebe Gemeinde, ich wünsche uns allen die Gnade, die der Herr Jesus Christus gewährt. Ich wünsche uns allen, dass der Herr mit seiner Gnade bei uns bleiben möge. Ich wünsche uns allen die Liebe, die Gott schenkt, und die Gemeinschaft, die der Heilige Geist bewirkt. 

Oder, um es in der Übersetzung von Martin Luther zu sagen: Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

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