08/08/2024 0 Kommentare
Bittet auch für die anderen!
Bittet auch für die anderen!
# Predigt
Bittet auch für die anderen!
Liebe Gemeinde,
um drei Dinge geht es am Sonntag Rogate:
- Wie wir bitten sollen,
- worum wir Gott bitten sollen
- und für wen wir Gott bitten sollen.
Wie wir bitten sollen, das beantwortet das Evangelium für den heutigen Sonntag: Wir sollen drängend beten, nicht nachlassend, wir sollen aufdringlich beten – wie der Mensch, der seinen Freund drängt, ihm drei Brote zu leihen, weil ein anderer Freund überraschend zu Besuch gekommen ist.
Worum wir Gott bitten sollen, darauf antwortet das Evangelium mit dem Vaterunser und seinen sieben Bitten.
Die erste Bitte ist die wichtigste: Geheiligt werde dein Name. Der Name steht für die Identität, also dafür, wer jemand ist. Gottes Name soll geheiligt werden, heißt, Gott soll dafür geheiligt werden, dass er Gott ist. Wie heiligen wir Gott? Jedenfalls nicht, indem wir auf seinen Geschöpfen herumtrampeln, als wären sie ein Nichts. Weder sollen wir auf unseren Mitmenschen herumtrampeln, Gottes Ebenbildern, noch auf der geschaffenen Natur, Gottes Schöpfung. Gottes Namen heiligen, heißt, ihn dafür zu heiligen, wer er ist: Unser Schöpfer. Und zwar unser aller Schöpfer.
Die zweite Bitte richtet sich darauf, unsere Hoffnung großzuhalten. Es ist die Bitte um das kommende Reich, die kommende Erlösung. Bei Jesus ist dieses Reich doppelt gedacht: als politische Gerechtigkeit und als politischer Friede hier auf Erden – und als Friede, den wir dermaleinst bei Gott finden. Beides gehört für Jesus zusammen.
Dein Wille geschehe. Die dritte Bitte richtet sich schon halb auf uns: Sie besagt, dass wir Gott gewähren lassen, dass wir uns seinem Willen fügen. „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern“, so dichtete Dietrich Bonhoeffer, „des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, / so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern / aus deiner guten und geliebten Hand.“
Die vierte Bitte ist die erste Bitte um unser eigenes Wohlergehen. Sie richtet sich auf das elementare Auskommen: „Unser täglich Brot gib uns heute.“ Es ist keine Bitte um Luxus, um Überschüssiges. Es ist die Bitte, dass wir uns nicht um uns selbst sorgen müssen.
Die fünfte Bitte richtet sich auf unser menschliches Miteinander: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Nur: Was, wenn wir nicht imstande sind, selbst zu vergeben, dürfen wir dann diese Bitte überhaupt guten Gewissens aussprechen? Wir tun es, sicherlich auch deshalb, weil wir selbst die Vergebung so bitter nötig haben.
Die sechste und siebte Bitte richtet sich auf unser Seelenheil: „Und führe uns nicht in Versuchung“ – uns, die wir von so vielen Versuchungen umgeben sind, – „sondern erlöse uns von dem Bösen“. Wir sollen uns nicht von vordergründigen Dingen festhalten lassen: Besitz, Reichtum, Ruhm, Ehre, Macht und Einfluss. Das alles schwindet irgendwann sowieso.
Für wen wir in unseren Gebeten bitten sollen, verrät der Predigttext:
Er steht im 1. Timotheusbrief, Kapitel 2, Verse 1-6a:
„So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tu Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung
- für alle Menschen,
- für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.
Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat als Lösegeld für alle.“
Für wen sollen wir also bitten?
Der Autor des Timotheusbriefes sagt: Für alle Menschen. „Alle“ heißt: „Unterschiedslos alle“. Nicht nur für unseresgleichen, nicht nur für unsere Lieben, sondern auch für die Fernen, auch für die Fremden und die Andersgläubigen.
Denn unser Heiland will, so heißt es im Predigttext, dass alle gerettet werden, nicht nur unseresgleichen, nicht nur unsere Lieben, sondern auch die Fernen, Fremden und Andersgläubigen.
Und er will, dass sie alle zur Erkenntnis der Wahrheit kommen: Nicht unserer Wahrheit, sondern Gottes Wahrheit.
Der Autor des Timotheusbriefes fordert uns aber auch auf, „für die Könige und für alle Obrigkeit“ zu beten. Zu Kaisers Zeiten haben die Theologen noch geglaubt, dies sei ein Beleg dafür, dass nur die adlige Obrigkeit gottgewollt und von Gott eingesetzt sei; und dass Demokratie unbiblisch sei. Aber das ist Unfug. Es geht dem Autor des Timotheusbriefes nicht um die Könige, sondern um die Obrigkeit, also um die Ordnung schaffende Gewalt. Könige gab es zufälligerweise damals, deshalb steht das Wort da. Hätte es damals gewählte Volksvertreterinnen und -vertreter gegeben, der Autor des Timotheusbriefes hätte dazu aufgefordert, für sie zu bitten.
Zur Ordnung schaffenden Gewalt gehören auch die Polizei, die Verwaltungsangestellten, die Richterinnen und Anwälte, also alle Menschen, die dafür sorgen, dass zwischenmenschliche Konflikte nicht zu Privatfehden ausufern, sondern dass sie beigelegt werden. Denn in Wirklichkeit geht es dem Autor des Timotheus-Briefes um Frieden: Den inneren Frieden für alle Menschen und den äußeren Frieden, die von Gewalt verschonte Gesellschaft.
Worum bitten Sie, wenn Sie beten? Wen schließen Sie in Ihr Gebet ein?
Und wann wurde Ihr Gebet zuletzt erhört? Ich komme noch einmal zurück zum Evangelium, und zur Dringlichkeit der vorgetragenen Bitte. Jesus sagt: „Wenn euch schon ein Freund eure dringlich vorgetragene Bitte nicht ausschlagen kann, um wieviel mehr wird Gott uns unsere dringlich vorgetragenen Bitten erfüllen?
Ist es so? Gewährt Gott, was wir eindringlich in unseren Gebete einfordern? Ich glaube, dass Jesus uns mit diesen Worten kein Versprechen gibt. Sondern er will uns zur Hoffnung drängen. Hoffnung äußert sich im Gebet, im Bitten.
Jesus möchte, dass wir im Gebet Gott unser Vertrauen entgegenbringen. Es macht Sinn, Gott unsere Wünsche eindringlich zu sagen, wie dem Freund, der sie ganz gewiss erfüllen wird. Auch dann, wenn eben nicht alle unserer Gebete erhört zu werden scheinen – in dem Sinn, dass unsere eins zu eins Wünsche erfüllt werden.
Wir beten gleich das Vaterunser. Und darin sagen wir: Dein Wille geschehe.
Es ist eine schwere Bitte. Wir verstehen nicht immer, warum ein Gebetswunsch unerfüllt bleibt. Vielleicht gibt es Gründe, nur erfahren wir sie nicht. Dann müssen wir uns in Gottes Willen fügen.
Unser Beten ist ein inneres Zwiegespräch mit Gott. Wir bringen zur Sprache, was uns bewegt. Wir finden Worte dafür, setzen uns damit auseinander, und das ist auch eine Weise, das Leben zu spüren.
In der Klage des Gebets, in der Bitte des Gebets, sprechen wir aus, was wir vermissen und was wir ersehnen. In der Fürbitte nehmen wir uns Zeit für andere Menschen. Und das ist gut. Gut für uns alle. Es ist helfend zu wissen, dass wir für andere und andere für uns beten. Menschen, für die wir beten, spüren die Anteilnahme.
Und auch, wenn unser Gebet scheinbar nichts äußerlich verändert, bleibt doch dieser Gedanke von Albert Schweitzer: „Gebete verändern nicht immer die Welt. Aber sie verändern Menschen, und die verändern die Welt.“
Beten heißt eben auch: Auf Gottes großes Versprechen, auf seine große Verheißung zu vertrauen. Auf seine Verheißung, dass in ihm alle Not aufgehoben ist, dass er alle Tränen abwischen wird, dass bei Gott keine Trauer mehr sein wird, keine Klage, keine Mühsal. Und Gott wird mitten unter den Menschen wohnen. Sie werden sein Volk sein. Und er, Gott, wird bei ihnen sein. – Amen.
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