08/08/2024 0 Kommentare
Predigt am letzten Sonntag nach Epiphanias 2023
Predigt am letzten Sonntag nach Epiphanias 2023
# Predigt
Predigt am letzten Sonntag nach Epiphanias 2023
Liebe Gemeinde!
in jeder Predigt lege ich einen biblischen Text aus. Das heißt, ich versuche seiner Bedeutung auf den Grund zu kommen. Und ich versuche zu übersetzen, was dieser Text für uns bedeuten kann.
Die Schwierigkeit dabei ist, dass die biblischen Texte aus einer anderen Welt stammen. Wir leben im wissenschaftlichen Zeitalter. Wir vermessen die Welt, wir berechnen sie, wer erschließen uns durch Experimente, was jenseits unserer Wahrnehmung liegt.
Wer lernen, dass Lichtstrahlen elektromagnetische Wellen sind, dass Schall entsteht, wenn Moleküle in Schwingungen versetzt werden und sich diese Schwingungen wellenartig ausbreiten. Und was wir nicht erforschen können, davon schweigen wir – über den Tod zum Beispiel. Manche Menschen sagen: Wenn du stirbst, dann ist es aus, Schluss, Ende Gelände, da kommt nichts.
Die Menschen der Bibel lebten im vorwissenschaftlichen Zeitalter. Sie erschlossen sich die Welt, wie sie ihnen erschien. Sie experimentierten nicht, sondern sie projizierten von ihrer Erfahrung auf den Zustand der Welt. Sie folgten nicht der Empirie, sondern der Intuition. Sie vermaßen nicht die Wirklichkeit hinter der Wahrnehmung, sondern sie lernten, um das Leben bestehen zu können.
Was kommt nach dem Tod? Niemand weiß es, aber schau dir an, welcher Weg der Beste ist, wenn es darum geht, durch die schmale Pforte des Todes ins Jenseits zu gelangen. So dachten die Menschen damals.
Wenn ich also predige und alte Texte zum Sprechen zu bringen versuche, dann versuche ich die Weisheit der Alten wieder zur Sprache zu bringen. Ich versuche, in unsere Zeit zu übersetzen, wie Menschen über Jahrtausende gelernt haben, das Leben und Sterben zu bestehen. Wie sie Erfahrungen beschrieben, an denen die Naturwissenschaften kein Interesse haben, die wir aber doch machen.
Predigen, das geschieht immer in zwei Etappen: Erst gucken wir uns an, was die Alten erzählen. Und dann überlegen wir, wie das unser Leben beschreibt, und eventuell: wie uns das weiterhilft.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag handelt von der Verklärung Jesu. Und hier beginnt schon die erste Schwierigkeit: Was ist Verklärung? Im griechische Text ist von einer Metamorphose die Rede, das heißt: von einer Verwandlung der äußeren Gestalt. Das lateinische Wort „transfiguratio“ nimmt den griechischen Wortsinn auf: Die Gestalt wird in einen anderen Zustand überführt.
Als die Bibel im 16. Jahrhundert in die europäischen Landessprachen übersetzt wurde, schufen Engländer und Franzosen daraus ein neues Wort: transfiguration. Dieses Wort existiert in beiden Sprachen nur für dieses Verwandlung Jesu – für seine Verwandlung in eine verherrlichte Gestalt oder – wenn man es so sagen darf – in eine göttliche Leuchtgestalt.
Auch im Deutschen gibt es ein Fachwort für diese besondere, einzigartige Verwandlung. Luther schuf dafür das Wort „Verklärung“ – mit der Vorsilbe „Ver-“ wie in „Verwandlung“. Und mit dem semantischen Hauptbestandteil „-klärung“ – so dass das Wort nun meint: Eine Verwandlung, die Klarheit schafft. Nämlich Klarheit darüber, dass Jesus mehr ist, als ein einfacher Mensch. Dass sich Gott in Jesus den Menschen zeigt.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag handelt also von einem Ereignis, für das es ein eigenes Wort gibt. Ein Ereignis, das es so vorher und nachher nie wieder gegeben haben soll. Nach dem Verständnis der alten, antiken Kirche reiht sich dieses Geschehen ein in eine Serie von fünf Heilsereignissen im Leben Jesu – und ich sage gleich vorweg: Weihnachten ist nicht dabei.
Die großen Heilsereignisse im Leben Jesu sind:
1. seine Taufe an Epiphanias,
2. seine Verklärung am letzten Sonntag nach Epiphanias. Bei diesen beiden Heilsereignissen erklingt eine himmlische Stimme, die sagt: „Dies ist mein geliebter Sohn“.
3. seine Kreuzigung am Karfreitag, als der heidnische Hauptmann unterm Kreuz bekennt: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen.“
4. seine Auferstehung an Ostern,
5. und seine Himmelfahrt.
Bei Auferstehung und Himmelfahrt erscheint Jesus seinen Jüngern als Gottes wahrhaftiger Sohn. Es sind also fünf Heilsereignisse, die Jesu göttliche Natur anzeigen.
Am Sonntag vor zwei Wochen habe ich darüber gepredigt, dass wir Gott nicht ins Angesicht schauen können. Dass wir allenfalls den Spuren, die Gott in unserem Leben hinterlässt, hinterhersehen können. So etwas klingt auch in der alttestamentlichen Lesung an, die Stefan Hering vorgetragen hat, und in der Gott sich selbst vorstellt als derjenige, der sein wird, wer er sein wird – also als völlig offen zur Zukunft hin, als gesichtsloser, unbekannter, fast schon unheimlicher Gott.
Heute kommt mit der Verklärung Jesu eine weitere Botschaft hinzu: Wenn wir etwas von Gott wissen wollen, dann müssen wir auf Jesus Christus schauen. Nur in Jesus Christus erkennen wir, wie Gott wirklich ist, und was uns wirklich zum Leben dient.
Der Predigttext über die Verklärung Jesu steht bei Matthäus im 17. Kapitel, Verse 1 bis 9. Ich lese ihn vor:
Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.
Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: „Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.“
Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!“
Als die Jünger das hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr.
Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: „Steht auf und fürchtet euch nicht!“
Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.
Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: „Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.“
So weit die Erzählung.
Jesus führt drei ausgewählte Jünger allein auf einen hohen Berg. Jesus sucht mit ihnen die Einsamkeit – so wie jeder Mensch sich ab und zu zurückzieht, um wieder Kraft zu tanken. Den Computer ausstellen, das Telefon abstellen, die Tür zumachen mit einem „Bitte nicht stören“-Schild. Irgendwo wandern, wo man nicht erreichbar ist, vielleicht auch einen geheiligten Ort aufsuchen – eventuell in einer besonderen Zeit wie der bald anstehenden siebenwöchigen Fastenzeit. Sich einen Raum suchen, in dem man aufatmen kann, beten kann, wo man die physische, psychische und spirituelle Batterie wieder aufladen kann.
Und plötzlich leuchtet Jesu Angesicht wie die Sonne, seine Kleider werden weiß wie das Licht.
Im vorangehenden Kapitel des Matthäusevangeliums kommen die Pharisäer und Schriftgelehrten zu Jesus, die Superschlauen, die immer alles besser wissen. Sie sagen Jesus, zeig uns doch, wer du wirklich bist. Gib uns ein Zeichen, dass du der angekündigte Messias bist. Jesus reagiert abweisend.
Dann fragt Jesus die Jünger: „Wer glaubt ihr denn, wer ich sei.“ Petrus sagt: „Du bist der Messias, der Christus.“ Jesus reagiert positiv: „Du bist der Fels, Petrus“, sagt er: „Auf dir kann ich meine Kirche aufbauen.“ Und Petrus sagt weiter: „Aber das mit dem Leiden, mit dem Kreuz und so, das brauchen wir nicht, das lassen wir mal lieber.“ Und sofort reagiert Jesus abweisend und sagt zu Petrus: „Geh weg von mir, Satan.“ Was für ein Wechsel der Gefühle!
Aber deutlich wird: Die ganze Botschaft vom Heilen, von der Vergebung, von der Liebe und Barmherzigkeit Jesu ist unvollständig, wenn man das Los dessen, der heilt, vergibt, liebt und Barmherzigkeit ausübt, wenn man sein Los ausblendet, wenn man seine absolute Selbstlosigkeit ausblendet. Wir verstehen Jesu Botschaft nur vom Kreuz her, nur von daher, dass er alles zu geben bereit war.
Und nun, im 17. Kapitel des Matthäusevangeliums, ist Jesus allein mit den drei Jüngern auf dem Berg ist, Petrus ist auch dabei. Und Jesus zeigt, wer er wirklich ist, wie er wirklich ist: Leuchtend wie die Sonne, weiß wie das Licht.
Mose und Elia reden mit Jesus. Mose, den Gott zu sich holte, bevor er das gelobte Land erreicht hat. Mose, dessen Grab niemals gefunden wurde, der auf geheimnisvolle Weise von dieser Erde verschwand. Und Elia, der in einem feurigen Wagen zum Himmel ritt, der entrückt wurde. Die beiden größten und wichtigsten Persönlichkeiten aus der Geschichte Israels vereint im Gespräch mit Jesus.
Es ist ein Moment der Klarheit, wie man ihn manchmal hat. Ein Moment des inneren Klarwerdens, der Erleuchtung, des Verstehens. Ein Moment, in dem sich Zusammenhänge erschließen.
Manchmal verbindet sich mit solch einer Erleuchtung das Gefühl, eins zu sein mit der Umgebung, zu verschmelzen mit allem um einem herum, das Gefühl der großen Einheit. Manchmal verbindet sich damit das Gefühl innerer Ruhe, der Eindruck innerer Kongruenz, der Übereinstimmung mit sich und allem, das Gefühl der Harmonie. Manchmal verbindet sich damit das Gefühl, Gott nahe zu sein, von Liebe durchströmt zu sein, von einer Liebe zu Gott und den Menschen.
„Herr, hier ist gut sein“, sagt Petrus in der Übersetzung von Martin Luther. – Und auf Griechisch: καλόν ἐστιν ἡμᾶς ὧδε εἶναι – „es ist schön, dass wir hier sind“, so ließe sich die Zeile auch übersetzen. Petrus ist berückt von der Schönheit des Augenblicks. Petrus will Hütten bauen, wie Juden sie zum Laubhüttenfest bauen, vorübergehende Behausungen zur Erinnerung an die 40 Jahre der Wüstenwanderung, die das Volk Israel durchmachen musste, bevor es das gelobte Land erreichte.
Doch dann ist dieser Moment der Klarheit wieder weg. Eine Wolke umhüllt die Szenerie, Nebel, Unklarheit, und eine Stimme spricht aus der Wolke: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören.“ Die Jünger fallen aus der Harmonie, aus der Schönheit heraus. Sie fürchten sich, fallen auf ihr Angesicht. Jesus rührt sie an und bittet sie, wieder aufzustehen. Mose und Elia sind weg, Jesus steht allein da. Ein Moment der Ernüchterung. Und die vier Gestalten trotten wieder den Berg hinunter. „Sagt niemandem davon“, schärft Jesus den Jüngern ein.
„Warum hat Jesus drei Jünger mitgenommen auf den Berg?“, fragt Johannes Calvin, der Schweizer Reformator. Und er gibt auch gleich die Antwort: „Als Zeugen.“ Drei Zeugen braucht es, um eine glaubwürdige Aussage machen zu können. Denn später, erst nach Kreuzigung und Auferstehung, werden sich die drei Jünger an diesen Moment der Erleuchtung erinnern. Und erst dann werden sie ihn verstehen.
Noch sind sie blind, taumeln in die Ereignisse, erkennen die Zusammenhänge nicht. Der Moment der Erleuchtung, er ist wieder weg. Dieselben drei Jünger werden später im Garten Gethsemane dabei sein. Unmittelbar bevor Jesus verraten wird, bevor er an seine Richter und Henker ausgeliefert wird, bittet Jesus diese drei, mit ihm zu wachen. Aber Petrus, Johannes und Jakobus schlafen ein. Dreimal muss er sie wecken. Die Jünger wollen einfach nicht wahrhaben, wie grausam es mit Jesus zu Ende gehen wird.
Was sind Ihre Momente der Erleuchtung, der inneren Klarheit? Hatten Sie schon einmal einen solchen Moment?
Ich lade Sie ein, ab Aschermittwoch teilzunehmen an der Fastenaktion „Leuchten – Sieben Wochen ohne Verzagtheit“. Das Plakat hängt unten im Treppenhaus neben dem Fahrstuhl aus. Wir werden hier in der Friedenskirche eine Fastengruppe haben. Wie auch immer Sie es mit dem Fasten halten, egal auf was Sie verzichten, egal, ob Sie überhaupt auf etwas verzichten, Sie können dabei sein. Wir treffen uns ab Aschermittwoch an jedem Mittwoch bis in die Woche vor Ostern und tauschen uns aus, über die Erfahrungen der Woche, über die Gedanken, die der Kalender auslöst, mal sehen, was da passiert.
Sprechen Sie mich an. Ich werden morgen die Kalender der Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland bestellen. Sie bekommen dann einen solchen Kalender, in dem Sie jeden Morgen weiterblättern können und Ihre Anregungen für den Tag darin finden. Vielleicht auch eine kleine Erleuchtung, ein kleiner Happen von dem, was uns irgendwann einmal aufgeht.
„Noch sehen wir wie durch einen Spiegel in einem dunklen Bild“, schreibt der Apostel Paulus an die Korinther, „dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise. Dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.“
Amen.
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