08/08/2024 0 Kommentare
Predigt am dritten Sonntag nach Epiphanias 2023
Predigt am dritten Sonntag nach Epiphanias 2023
# Predigt
Predigt am dritten Sonntag nach Epiphanias 2023
Eine Predigt von Ada Kaschube, damals Schulpraktikantin an der Friedenskirche, und Pfarrer Burkhard Weitz
Ada Kaschube (Teil 1)
Liebe Gemeinde!
Der Predigttext für den heutigen Sonntag ist im Matthäus Evangelium in Kapitel 8, Verse 5 bis 13. Ich lese ihnen vor.
Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn und sprach: „Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.“
Jesus sprach zu ihm: „Ich will kommen und ihn gesund machen.“
Der Hauptmann antwortete und sprach: „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Denn auch ich bin ein Mensch, der einer Obrigkeit untersteht, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er’s.“
Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: „Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden! Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.“
Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: „Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast.“
Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.
Soweit die Geschichte aus dem Matthäus Evangelium.
Der Hauptmann hat einen kranken Knecht. Er geht zu Jesus, um ihn um Hilfe zu bitten. Jesus bietet an, zu dem Knecht nach Hause zu gehen. Aber der Hauptmann fühlt sich dessen unwürdig. Ihm reicht es, wenn Jesus ein einziges Wort aus der Ferne spricht. Der Hauptmann ist überzeugt, dass das reicht, um den Knecht zu heilen.
Mir fallen zwei Dinge auf:
- Jesus heilt nur durch ein Wort, wie in vielen anderen Wundergeschichten auch.
- Hier soll Jesus aber nicht mit dem Menschen sprechen, den er heilt. Er soll ihn aus der Ferne heilen.
Das erste kann ich mir noch einigermaßen erklären.
Man würde denken, der Knecht müsse mit Medizin behandelt werden. Aber der Hauptmann bittet um ein Wort von Jesus, weil er zu 100 Prozent Vertrauen in dessen Wort hat.
Können wir das auch, bedingungslos Vertrauen? In die heilende Kraft des Wortes? Wir kennen solche Sätze wie „Das ist nur hohles Geschwätz“ oder „nicht nur Worte, sondern Taten“. Doch jeder von uns hört doch gerne mal ein nettes Wort. Worte bewegen eben doch viel und haben einen riesigen Einfluss auf uns. Nette, liebe Worte können uns trösten oder ermutigen. Gemeine, unfreundliche Worte können uns verletzen oder demütigen.
Wenn die beste Freundin oder der beste Freund einen während einer schwierigen Zeit tröstet und ermutigt, gibt uns das Mut sich wieder aufzurappeln und weiterzumachen. Man freut sich, dass die andere Person sich freundliche Worte für einen überlegt hat und Vertrauen in einen hat, dass ich das schaffen kann.
Aber auch gemeine, kränkende Worte, können viel Einfluss auf uns haben. Jetzt mit den Sozialen Medien merkt man immer mehr, wie viel die bösen Worte des sog. „Hatespeech“ auf Deutsch „Hassrede“ mit Menschen machen können. Cybermobbing kommt leider viel zu oft vor. Manche Menschen hat es schon in schwere psychische Krankheiten geführt. Einige wussten sogar keinen anderen Ausweg mehr als sich das Leben zu nehmen.
Auf Worte können Taten folgen. Worte können manche Menschen anstacheln etwas schlechtes oder Böses zu tun oder andere Menschen einengen. Vor allem wenn wir den Worten den entsprechenden Wert beimessen. Diese Wundergeschichten aus den Evangelien erinnert uns also daran, dass wir selbst auf unsere Worte achten müssen, aber dass wir andererseits auch darauf vertrauen dürfen, das Gottes Wort wirkt.
Auf unsere Worte zu achten ist manchmal gar nicht so leicht. In Wut sagt man jemandem, den man eigentlich liebhat, ein gemeines, kränkendes Wort, was einem später dann leidtut und wofür man sich schämt. Deswegen glaube ich, dass es in dieser Welt, in der es schon genug Leid gibt, ein Hoffnungsschimmer zu sein und liebe Worte, und wenn es nur ein „Danke“ ist, zu verbreiten umso wichtiger ist.
Welche Worte sind überhaupt die, die was verändern, die Menschen Mut machen oder ihnen sogar helfen? Bei so vielen Worten, die man täglich sagt und gesagt bekommt, ist das gar nicht so einfach. Es kann auch von Person zu Person unterschiedlich sein und doch hat es immer die Kraft, die auch das Wort von Jesus in der Geschichte hatte.
Aber in dieser Geschichte geht es ja um mehr. Jesus soll mit seinem Wort aus der Ferne heilen.
Vor dem Abendmahl sagen wir manchmal: „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach kommst. Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Auch in diesem Zusammenhang soll ja Gottes Wort heilend wirken, und zwar aus der Ferne. Nur wie soll man sich das vorstellen?
Burkhard Weitz (Teil 2)
Liebe Ada, ich will eine Antwort versuchen.
Tröstende Worte können heilende Worte sein, das sehe ich auch so wie du. Und in dieser Geschichte soll Jesus aus der Ferne mit einem Wort heilen, als sei er ein Magier, ein Zauberer. Und ich frage mich auch, so wie du, wie so etwas gehen soll.
Zunächst einmal müssen wir feststellen, dass diese Geschichte in einer anderen Zeit spielt, in der die Menschen anders dachten als wir.
Der Hauptmann vergleicht seine Befehlsgewalt über seine Knechte mit Jesu Herrschaft über die Dämonen. Ja, damals glaubte man, Dämonen seien die Ursache für die Krankheit. Der Hauptmann sieht in Jesus also jemanden, der Vollmacht über die Dämonen- und Geisterwelt hat.
Und da würden wir heute sagen: Wir vertrauen uns lieber einem Arzt oder einer Ärztin an, als einem umherwandernden Fernheiler. Also müssen wir die biblische Erzählung etwas anders lesen; nicht als eine Konkurrenzgeschichte zu unserem modernen naturwissenschaftlichen Denken.
In den Kirchen liest man die biblischen Geschichte seit alters auf eine besondere Weise. Man fragt sich: Wer bin ich in dieser Geschichte? Mit wem identifiziere ich mich?
Bei dieser Wundererzählung vom Hauptmann von Kapernaum lautet eine sehr verbreitete Antwort: Wir, also die Heidenchristen, die nicht als Juden aufgewachsen sind, die wir nicht mit dem jüdischen Gesetz vertraut sind, wir sind wie der Hauptmann, der zu Jesus kommt.
Das ist eine sehr bequeme Rolle. Denn der Hauptmann ist eine moralisch sehr beeindruckende Figur. Denn erstens bittet er Jesus nicht für sich selbst. Sondern er ist bewegt von der Sorge um einen Menschen, der für ihn arbeitet, der ihm untersteht. Er ist ein sehr fürsorgender Mensch. Er ist so, wie man sich einen Vorgesetzten wünscht.
Zweitens zeigt der Hauptmann Respekt vor den Regeln des jüdischen Volkes, und damit zeigt er Demut. Wie wir, ist es auch kein Jude. Der Hauptmann respektiert das jüdische Gesetz, das von Juden verlangt, sich von unreinen Orten fernzuhalten. Er sieht in sich selbst den Unreinen, den Unwürdigen. Er bittet den Juden Jesus gar nicht erst zu sich nach Hause, sondern sagt ganz demütig: „Ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach kommst.“ Auch diese Demut beeindruckt.
Drittens traut der Hauptmann Jesus sehr viel zu, mehr als es die Israeliten in Jesu Umfeld es tun. Der Hauptmann von Kapernaum meint: Jesus müsse nur ein Wort sprechen, schon wird sein Knecht gesund. Jesus müsse nur wollen, dass der Knecht gesund wird, dann werde er es auch. Der Hauptmann hat einen sehr starken Glauben, und das zahlt sich – so die Erzählung – aus. Denn tatsächlich, als der Hauptmann heimkehrt, findet er seinen Knecht gesund vor.
Insofern ist es auch sehr bequem, sich die Rolle des Hauptmanns auszusuchen und sich mit ihr zu identifizieren. Aber funktioniert das auch? Bin ich so fürsorglich und demütig wie der Hauptmann? Ist mein Glaube wirklich so ungebrochen stark wie seiner?
Es gibt noch eine andere Identifikationsfigur. Und du, Ada, hast sie indirekt benannt. Schauen wir uns den Einladungsvers zum Abendmahl mal genauer an. Es heißt: „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach kommst. Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“
„Meine Seele“ – nicht: „Mein Knecht.“ Der Vers wird ein wenig umformuliert, und schon klingt er, als habe sich der kranke Knecht die Worte des Hauptmanns angeeignet: „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach kommst. Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“
Der Vers ist nun nicht mehr die Bitte eines fürsorgenden Vorgesetzten. Sondern es ist die Bitte eines flehenden Kranken. Ihm, dem Knecht, ergeht es wie uns: Er ist nicht unterwegs in Galiläa, wo Jesus herumläuft, er kann Jesus nicht persönlich begegnen. Er kann auch nicht davon ausgehen, dass Jesus persönlich zu ihm kommt. Sondern er kann sich auf Jesus nur aus der Ferne beziehen. Er kann durch Hörensagen von ihm erfahren, also nur durch die Vermittlung anderer.
Das Flehen des Knechtes ist unser Flehen. Sein vermittelter Glaube ist unser Glaube. Es ist der Glaube der Nachgeborenen, die nicht mehr Jesus kennenlernen können. Die nicht mehr erleben, wie Jesus von Mensch zu Mensch zu ihnen spricht und sie heilt.
Wie der Christus aus der biblischen Geschichte den Knecht des Hauptmanns aus der Ferne heilt, so heilt Christus auch uns aus der Ferne. Er kann uns heilen, wenn wir uns an Jesu Worte erinnern. Wenn wir uns einander Jesu Worte zusprechen.
Vielleicht ergeht es Ihnen ja auch so: Dass Sie so etwas wie Heilung empfinden, wenn wir Abendmahl feiern, wenn wir uns um den Altar versammeln und das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern reinszenieren.
Der Theologe Fulbert Steffensky hat die biblischen Wundergeschichten „Zeugen der Hoffnung“ genannt. Vielleicht ergeht es Ihnen ja auch so, dass diese Erzählungen – so fantastisch sie anmuten mögen – sich auf Sie abfärben, Ihnen Hoffnung geben, Ihnen die Sehnsucht nach mehr vermitteln, nach mehr, als Ihnen das Leben derzeit bieten kann.
Ja, ich glaube, dass Christus aus der Ferne heilen kann, wenn wir voreinander Zeugnis ablegen von der großen Hoffnung des Anfangs, von der Hoffnung auf Heilung, die Jesus in Gang gesetzt hat. Amen.
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