Beten lernen

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# Predigt

Beten lernen

Liebe Gemeinde, und ganz besonders liebe Konfis, liebe neuen Konfirmandinnen und Konfirmanden!

Gerade eben hat euch Stefan Hering einen Abschnitt aus der Bibel vorgelesen. Ich weiß jetzt nicht, wie lange ihr zuhören konntet. Bis zum Vaterunser bestimmt. Vielleicht auch bis zu der Geschichte vom Menschen, der mitten in der Nacht bei seinem Freund anklopft und um drei Brote bettelt. Vielleicht sogar weiter, wo es um den Vater geht, der – bei aller Bosheit, die er sonst haben mag – seinen Kindern doch nur Gutes tun würde. Aber irgendwann steigt man ja aus, wenn da noch ein Gedanke kommt und noch einer und noch einer. 

Im Konfi-Unterricht werden wir am Anfang auch immer eine Geschichte aus der Bibel laut vorlesen. Dann reichen wir einen Stein herum. Und alle erzählen, was ihnen an der Geschichte aufgefallen ist, was er oder sie sich gemerkt hat. Oder nicht verstanden hat. Was auch immer. 

Ich hoffe, dass wir alle in diesem Jahr lernen, zuzuhören. Eine Geschichte auf sich wirken zu lassen – nur von dem her, was man hört. Bestimmt haben die meisten von euch Smartphones, wenn nicht sogar alle. Mit ihnen kann man sich so herrlich ablenken, mit Spielen, Videos, Chats. Nur: Was man dabei verlernt, ist, sich zu konzentrieren. Einfach ruhig sitzen bleiben und eine Geschichte auf sich wirken lassen. Am Stück mal eine Geschichte zu erfassen. Auch eine schwierige Geschichte zu erfassen.  

Und es gibt noch etwas, das wir verlernen, wenn wir jederzeit uns ablenken können, wenn wir nie – auch nur eine Minute Langeweile erleben, oder Frustration, die wir aushalten müssen, ohne zum Smartphone zu greifen. 

Wir verlernen, den Mangel auszuhalten. Mir fehlt etwas, ich hätte gern etwas. Ich habe keine Ersatzbefriedigung, sondern die Gefühle überkommen mich. Immer seltener erleben wir das, und immer schwieriger fällt es uns, sich diesen Gefühlen auszusetzen. 

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Hier in der Predigt predige ich immer über einen Ausschnitt aus der Bibel, der mir vorgegeben wird. Oft schlage ich den bei der Vorbereitung auf und denke mir: „Och nö, was soll ich denn jetzt dazu sagen?“ Und das ist ein guter Impuls. Denn er nötigt mich, mich anzustrengen, es mir nicht leicht zu machen. Die Anstrengung bewirkt, dass ich nicht nur dasselbe sage wie immer, was sowieso schon alle 1000mal von mir gehört habe. Sondern dass ich etwas Neues entdecke, bzw. dass ich nicht lockerlasse bei der Vorbereitung der Predigt, bis ich etwas entdeckt habe, das auch für mich neu ist.  

Der Predigttext für heute war auch so ein Text. Aber jetzt denke ich: Was für ein Glück! Denn dieser Abschnitt aus der Bibel hat auch etwas Wichtiges zu sagen. Ich lese ihn vor, und ja – man muss sich immer ein wenig konzentrieren und aufpassen, wenn man diese alten Texte aus der Bibel hört. In diesem Text passiert nichts. Sondern Jesus redet zu seinen Jüngern. Und das sagt er ihnen: 

Amen, amen, das sage ich euch: Alles, worum ihr den Vater in meinem Namen bittet, das wird er euch geben! Bis jetzt habt ihr in meinem Namen um nichts gebeten. Bittet – und ihr werdet es bekommen. Dann wird die Freude euch ganz und gar erfüllen!

Ich habe euch das alles in rätselhaften Worten gesagt. Es kommt die Stunde, wenn ich nicht mehr in rätselhaften Worten zu euch reden werde. Dann werde ich zu euch offen und unverhüllt vom Vater reden. An dem Tag werdet ihr in meinem Namen bitten. Ich sage nicht, dass ich den Vater für euch bitten werde. Denn der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich liebt – und weil ihr glaubt, dass ich von Gott gekommen bin. Vom Vater her bin ich in die Welt gekommen. Jetzt verlasse ich die Welt wieder und kehre zum Vater zurück. 

Drei Dinge greife ich aus dieser kurzen Rede Jesu heraus.
Erstens: Wir sollen bitten. Wir sollen Gott um das bitten, was wir brauchen.
Zweitens: Jesus redet jetzt noch in rätselhaften Worten, aber irgendwann unverhüllt.  
Drittens: Gottes Liebe können wir erfahren, wenn wir uns auf diesen Jesus von Nazareth einlassen. 

Erstens: Wir sollen Gott um das bitten, was wir brauchen. Was brauchen wir? Was brauchst du? Was ist es, wonach du dich sehnst, wenn du mal eine Stunde oder einen Tag dasitzt, dein Smartphone ist kaputt, nichts und niemand lenkt dich ab, und du bist mit deinen Gedanken alleine?

Wonach sehnst du dich, was brauchst du? Nur wenn du das weißt, dann kannst du Gott um etwas bitten. Wer nicht beten kann, so hat es die Romanautorin Angelika Schrobsdorff einmal ihrer Mutter in den Mund gelegt: Wer nicht beten kann, weiß auch nicht, was er will. 

Zweitens: Jesus redet jetzt noch in rätselhaften Worten, aber irgendwann unverhüllt. Warum ist das alles rätselhaft für uns, und wie kann das, was Jesus sagt, unverhüllt auf uns wirken? Unverhüllt etwas auf sich wirken zu lassen, das ist so, wie wenn du jemanden gut kennst. Du weißt ungefähr, was er dir normalerweise sagen würde. Du weißt, wie eure Unterhaltungen ablaufen. Du magst diesen Menschen. Dir ist wichtig, was er dir zu sagen hat. Du hörst genau zu. Und verstehst, was er dir sagen möchte, allein schon, weil dir seine Meinung wichtig ist. 

Genauso ist es auch mit dem, was dir dieser Jesus von Nazareth zu sagen hat. Und wir haben jetzt ein Jahr Zeit, diesen Jesus von Nazareth kennen und mögen zu lernen. 

Drittens: Gottes Liebe können wir erfahren, wenn wir uns auf diesen Jesus von Nazareth einlassen. Was ist Liebe? Wenn du einen Menschen liebst, dann magst du ihn, so wie er ist. Dann ist dir wichtig, was er dir zu sagen hat. Und wenn er mal ein ernstes Wort mit dir spricht, wenn er dich mal kritisiert, dann geht dir das nach, dann musst du lange darüber nachdenken. Und wenn er dir mal was Gutes sagt, dann geht es dir auch nach. Dann breitet sich eine wohlige Wärme in dir aus. Und dann fühlst du dich gehalten und getragen. 

Wir haben in diesem einen Jahr Zeit, uns selbst nahe zu kommen, uns selbst besser zu verstehen - und auch einander besser zu verstehen. In diesem einen Jahr eurer Konfi-Zeit werdet ihr einen großen Sprung nach vorne machen. Und wir wollen, dass wir diesen Sprung gemeinsam machen, dass wir uns gemeinsam mitnehmen in unser Entwicklung, dass wir aufeinander achthaben – und dass ihr auch selbst lernt, mit euch selbst klarzukommen als eigenständige Menschen, die selber über Dinge nachdenken, die sich ein eigenständiges Urteil bilden, die in sich gefestigt und stabil sind.

Und wir haben ein Jahr Zeit, uns auf diesen Jesus von Nazareth einzulassen, ihm nahe zu kommen. Wir haben Zeit, uns mit seinen Worten vertraut zu machen, mit seinen Infragestellungen, aber auch mit seinen Aufmunterungen, mit dieser ganzen Liebe, die von ihm ausgeht. 

In seiner Abschiedsrede sagt Jesus zu seinen Jüngern: Der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich liebt – und weil ihr glaubt, dass ich von Gott gekommen bin. Vom Vater her bin ich in die Welt gekommen. Jetzt verlasse ich die Welt wieder und kehre zum Vater zurück.

Jesus hat die Welt verlassen, daran werden wir kommenden Donnerstag an Christi Himmelfahrt erinnern. Und seine Jünger mussten auf eigenen Füßen stehen, mussten selbst ihr Leben in der Welt bestehen. 

Das werdet ihr auch – aber dann immer mit einem, den ihr in Gedanken nahe bei euch haben könnt, der euch Mut zusprechen kann. Der eure Enge in Weite verwandelt, eure Ohnmacht in Stärke. Der jedes verlorne Zutrauen in Wärme verwandelt und jede Sehnsucht in Heimat. Und davon singen wir gleich. Amen.

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