30/04/2025 0 Kommentare
Bald wieder eine gefragte Tugend
Bald wieder eine gefragte Tugend
# Predigt

Bald wieder eine gefragte Tugend
Liebe Gemeinde!
"Risus Paschalis" heißt der Brauch, an Ostern zu lachen. Damit die Gemeinde lachen kann, muss der Pfarrer einen Witz erzählen. Und deshalb möchte heute mal etwas tun, was ich von dieser Stelle noch nie getan habe, und ich möchte dem Passauer katholischen Bischof Stefan Oster nacheifern, der 2024 im Ostergottesdienst im Stephansdom in Passau mit folgender Anekdote für Heiterkeit gesorgt hat.
Passauer Bischof Stefan Oster hat diese Anekdote aus dem Werk "Das neue kleine Buch vom Osterlachen" vorgelesen. Sie erzählt von einer Frau aus der Stadt, die in den 1920er Jahren im Bayerischen Wald Urlaub machen wollte.
Der Tourismus nahm dort damals gerade erst seinen Anfang. Und es gab noch nicht überall fließend Wasser. Deshalb wandte sich die Städterin besorgt mit einem Brief an die kleine Landgemeinde und erkundigte sie sich in ihrem Schreiben, ob ihr an ihrem Urlaubsort auch ein "WC" zur Verfügung stehe.
Der Bürgermeister samt Gemeinderat war über die eigenartige Anfrage und Abkürzung völlig ratlos. Zuletzt wurde sogar der Dorfgeistliche befragt. Und der vermutete, dass es sich beim WC eigentlich nur um das Waldkapellchen handeln könne, das die neumodischen Städter mittlerweile mit „C“ buchstabieren würden. Und so verfassten die Mitglieder des Gemeinderates gemeinsam mit dem Pfarrer folgenden Antwortbrief an die besorgte Touristin.
„Sehr verehrte gnädige Frau!
Herzlichsten Dank für Ihre erfreuliche Anfrage, zu der wir Ihnen erfreulicherweise erwidern dürfen, dass Sie an unserem Ort alles zu Ihrer vollsten Zufriedenheit vorfinden werden.
Selbstverständlich verfügt unser Dorf auch über ein WC, und zwar bereits seit über 300 Jahren. Das WC ist günstig mitten im idyllischen Wald gelegen und kann bequem in einer Viertelstunde zu Fuß erreicht werden. Es hat etwa 30 Sitzplätze, ist tagsüber ständig geöffnet und steht Ihnen jederzeit zu Ihrer Verfügung.
Meistens wird unser WC von den Menschen alleine aufgesucht. Aber an Fest und Feiertagen versammeln sich dort oftmals mehrere Personen, um gemeinsam den Zwecken zu huldigen, für die unser WC erbaut wurde. Dies geschieht meist unter sachkundiger Anleitung des Herrn Pfarrer, der auch unter der Woche öfter im WC anzutreffen ist.
Zu besonderen Anlässen gibt es in unserem WC auch musikalische Begleitung durch unsere Blaskappelle. Auf Anregung des Herrn Pfarrer werden bei diesen Anlässen auf unserem WC Zettel bereitgehalten, damit Sie es bequemer haben, der Veranstaltung zu folgen.
Wir hoffen, dass Ihrem Aufenthalt in unserem schönen Ort nichts mehr im Wege steht. Es freut uns immer wieder, wenn die Menschen von weither kommen, nur um unser WC zu benutzen.
Hochachtungsvoll, der Gemeinderat.
Liebe Gemeinde, Sie merken, an dieser Anekdote lässt sich ganz gut ablesen, was Humor ausmacht. Ist einmal das Missverständnis klar, ahnt man schon, was für peinliche Ausrutschern es gleich auslösen wird. Und jedes Mal, wenn beim Erzählen eine Schippe draufgelegt wird, hat man beides vor Augen: Was die Gemeinde sich dabei denkt, und wie sich die Touristin über diese Antwort wohl gewundert haben muss.
Der Witz besteht darin, dass das eine nicht zum anderen passt, dass dieser Spaß dann auch noch Punkt für Punkt ausgekostet wird und die peinliche Situation, in die der wohlmeinende Gemeinderates gerät, Stück für Stück auf die Spitze getrieben wird.
Die schräge Gegenüberstellung, dazu die maßlose Übertreibung, das beides macht den Witz aus.
Wenn das so ist, dann hat Jesus auch jede Menge Humor gehabt. Zum Beispiel als er einen reichen Jüngling düpierte, der den Weg ins Himmelreich sucht. Jesus riet ihm, alles zu verkaufen und das Geld Armen zu geben. Der reiche Jüngling wollte das nicht, und Jesus bescheinigte ihm: Eher komme ein Kamel durch ein Nadelöhr, als er in den Himmel. Echt jetzt – ein Kamel? durch ein Nadelöhr? Für den reichen Jüngling gar nicht komisch. Für all die armen Tröpfe rundherum, die Zeugen dieses Gespräch wurden, schon.
Ein anderes Mal empfiehlt Jesus Leuten, die selbstgerecht urteilen, erst einmal den Balken aus ihrem Auge zu ziehen, bevor sie sich an den Splitter aus dem Auge ihres Gegenübers machen. Haben Sie sich schon einmal vorgestellt, wie wohl ein 10 mal 10 Zentimeter dickes Vierkantholz in Ihrem Auge aussehen würde?
Natürlich hatte Jesus Humor. Wir erkennen seinen Humor nur nicht mehr, weil seine Späße 2000 Jahre lang als Worte des Gottessohns verklärt und von allen Seiten interpretiert und gedeutet wurden.
Jesus hatte nicht nur Humor. Er muss mit seiner Art auf Menschen zuzugehen, mit seiner Art alle Herrschaftsverhältnisse in Frage zu stellen und Menschen als die zu akzeptieren, die sie nun einmal sind, und darüber hinaus in Menschen ein Potential zu erkennen, dass sie mobilisierte, dass sie zu Sehenden und Hörenden machte – Jesus muss mit seiner Art außergewöhnlich befreiend auf Menschen gewirkt haben.
Wir haben vorgestern hier in der Kirche am Karfreitag erlebt, wie emotional niederschmetternd der Justizmord, dem er zum Opfer fiel, auf seine Jünger gewirkt haben muss. Und nun, heute morgen am Ostersonntag, erleben wir, wie alles doch weitergeht. Wir kamen im Dunkel der Nacht zusammen. Wir versammelten uns ums Feuer. Wir versammelten uns in der dunklen Kirche. Wir hörten Worte der Heiligen Schrift. Wir hörten, die gute Nachricht: Der Herr ist auferstanden. Es wurde hell um uns. Das Kerzenlicht breitete sich aus, der Tag brach an.
Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Die Freude darüber macht aus Verzweifelten mutige Menschen, die auf einmal wieder ergriffen sind von diesem Jesus von Nazareth. Alle seiner Jünger haben später sogar selbst – wie vor ihnen Jesus – den Tod in Kauf genommen für das, was sie ergriffen hat.
Wenn wir die Frische in der Botschaft Jesus wiedererkennen wollen, wenn wir verstehen wollen, warum sich die Botschaft von Jesu Auferstehung so rasend schnell verbreitete, warum sich sein Kreis von vielleicht 20 Getreuen nach dem ersten Osterfest so drastisch weitete, dass heute jeder vierte Mensch auf der Erde christlichen Glaubens ist, dann können wir versuchen, diese Freude nachzustellen – so wie wir es heute früh getan haben. Wir können aber auch gedanklich noch einmal an die Anfänge zurückkehren.
Genau dazu lädt uns der heutige Predigttext ein. Er steht im 1. Thessalonicherbrief. Dieser Brief ist das älteste vollständig überlieferte Werk des Neuen Testaments. Paulus hat den 1. Thessalonicherbrief vermutlich zu Beginn des Jahres 50 geschrieben. Er ist sein ältester Brief. Und er gibt uns ein ziemlich genaues Bild von dem, was das Christentum in den Anfängen ausmachte.
Als Paulus diesen Brief schrieb, lag Jesu Kreuzigung 20 Jahre zurück. Wie viel sind 20 Jahre, liebe Konfis? Vor 20 Jahren haben sich eure Eltern kennengelernt.
Paulus war zu dem Zeitpunkt seit 15 Jahren Christ, etwas länger, als ihr auf der Welt seid. Für euch ist das eine lange Zeit, für eure Eltern und alle, die schon etwas älter sind, nicht.
Paulus war Jesus nie zu Lebzeiten begegnet. Ihm war der Auferstandene begegnet, 3 bis 5 Jahre, nachdem die Jünger dem Auferstandenen begegnet waren. Paulus hatte daraufhin von den Jüngern Jesu, von den anderen Aposteln, alles über Jesus erzählt bekommen.
Und dann zog Paulus los und wollte die ganze Welt zu Christus bekehren. Er gründete Christus-gläubige Gemeinden. Und was Jesu Begleiter ihm von Jesus erzählt hatten, das gab er nun an all die vielen Menschen in den neugegründeten Gemeinden weiter, also an die Leute, die er zuvor von der Botschaft Christi überzeugt hatte.
Paulus hat seiner Gemeinde in Thessaloniki nicht nur von Jesus erzählt. Er hat seine Gemeinde auch ermahnt, heilig zu leben – so wie Menschen eben leben, die Jesus mit seiner Botschaft erreicht hat. Paulus hat seiner Gemeinde gesagt: Christinnen und Christen sollen fair miteinander umgehen, ungeachtet ihres sozialen Status im Alltag. Sie sollten Unzucht meiden. Sie sollen nicht in gieriger Lust leben, niemanden im Handel übervorteilen. Sie sollen einander geschwisterlich lieben. Sie sollen mit den eigenen Händen arbeiten, um von niemandem abhängig zu sein – und ansonsten ein stilles Leben führen. So steht es im 1. Thessalonicherbrief.
Warum sollen sie so leben, aus welcher Motivation? Erstens, weil Jesus zu Lebzeiten es so gepredigt hat, und weil die Begegnung mit Jesus eine verwandelnde Kraft hatte. Und zweitens, weil Jesus bald wiederkommen werde, zu richten die Lebenden und die Toten, wie wir es auch heute noch im Glaubensbekenntnis bekennen.
Später hat Paulus in seinen Briefe an diese Gemeinden nicht mehr von Jesus erzählt, sondern er nahm fast ausschließlich zu aktuell anstehenden Fragen Stellung, zu dem was die Leute halt so umtreibt.
In Thessaloniki hatten die Leute eine ganz spezielle Frage. Damals glaubten die Christen, auch Paulus: Bald ist es so weit, bald kommt der Christus wieder, zu richten die Lebenden und die Toten. Und das schreibt er auch so im 1. Thessalonicherbrief, wir werden es gleich hören. Er kann sich dabei auf eine Aussage Jesu berufen, die wir aus dem Matthäusevangelium kennen (24,30f). Da redet Jesus ziemlich pompös und eindrucksvoll von seiner Wiederkehr, und das war diesmal nicht ironisch gemeint, auch nicht witzig übertrieben, sondern durchaus ernst. Jesus sagte:
„Es wird erscheinen das Zeichen des Menschensohns am Himmel. Und dann werden wehklagen alle Stämme der Erde und werden sehen den Menschensohn kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und er wird seine Engel senden mit hellen Posaunen, und sie werden seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum andern.“
Und weil Jesus das gesagt hat, dachten die Leute: Bald wird Jesus als der Menschensohn wiederkehren. Es kann eigentlich nicht mehr lange dauern.
In dem Abschnitt, der heute Predigttext ist, beschäftigt sich Paulus mit einer Frage, die die Christen in Thessaloniki umtreibt: Einige fromme Leute dort machten sich Sorgen, weil Jesu Wiederkehr ausblieb. Man wartete und wartete, inzwischen waren schon einige aus der Gemeinde gestorben, und man warte noch immer.
Paulus schrieb ihnen das Folgende:
„Wir wollen euch nicht in Unkenntnis lassen, Geschwister, über die Entschlafenen, damit ihr nicht traurig seid wie die übrigen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus starb und auferstand, so wird Gott auch die Entschlafenen durch Jesus mit ihm führen. Denn dies sagen wir euch mit einem Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die Übriggebliebenen bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen sicher nicht zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird beim Ruf, bei der Stimme des Erzengels und bei der Trompete Gottes herabsteigen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen, dann werden wir, die Lebenden, die Übriggebliebenen, zugleich mit ihnen fortgerissen werden in Wolken zur Begegnung mit dem Herrn in die Luft; und so werden wir allzeit mit dem Herrn sein. Daher ermutigt einander mit diesen Worten.“
Warum soll man ein guter, ein mutiger und geradliniger Mensch sein? Weil Jesus es so gefordert hatte, und weil Jesus wiederkehren wird zu richten die Lebenden und die Toten. Weil er uns richten wird und weil wir all unser Tun ihm gegenüber verantworten müssen.
Mut kann bald wieder eine gefragte Tugend sein, wenn von uns gefordert wird, das Richtige zu tun. In vielen Weltgegenden wird jetzt schon von den Mächtigen verlangt zu kuschen, klein beizugeben, sich einem autoritären Mainstream anzupassen.
Warum sollen wir auch dann mutig sein, wenn es für unser persönliches Leben riskant, vielleicht sogar richtig gefährlich werden kann? Weil wir uns mitreißen lassen von diesem Christus, der das Äußerste auf sich zu nehmen bereit war – für seinen geradlinigen Weg der Liebe! Und weil Gott diesen Christus nicht im Grab ließ, sondern weil er ihn auferweckte von den Toten. Deshalb wird auch unser Mut, wird auch unsere Geradlinigkeit nicht vergebens sein.
Das ist die Osterbotschaft, die ich euch heute mitgeben will. Euch, lieber Emil, Noé, Henry und Levin, die wir heute getauft haben. Euch, liebe Konfis, die ihr bald konfirmiert werdet.
Auch euch liebe friedliche Jugend. Die Frage, ob ihr den Mut aufbringt, anständig zu bleiben, kann für euch alle noch einmal von entscheidender Bedeutung sein.
Aber auch für euch alle, liebe Gemeinde. Lasst euch mitreißen von diesem Ostermorgen. Lasst euch anstiften zu Hoffnung und auch zu Mut. Die Sache Jesu geht weiter. Amen.
Kommentare